27. Juni 2019 - 4:57 / Ausstellung 
29. Juni 2019 22. September 2019

Einst lebte im Karersee – dem kleinen Bergsee in den westlichen Dolomiten – eine schöne Seejungfrau, in die sich ein Hexenmeister verliebte. Da die Seejungfrau aber nichts von ihm wissen wollte, erschuf der Hexenmeister aus allen Juwelen des Latemar-Massivs einen Regenbogen, den er ihr schenken wollte. Als die Seejungfrau jedoch den Hexenmeister entdeckte, verschwand sie für immer im See. In seiner Wut zerstückelte er den Regenbogen und warf ihn ins Wasser. Von da hat der Karersee seine einmalige schimmernde Farbe und wohl auch seine bis heute magische Ausstrahlung.

Inspiriert von dieser Geschichte inszeniert Özlem Altin im ersten Stock des Kunsthauses Meran eine atmosphärische Abfolge von Bildern: Zeichnungen, Malereien und Fotografien, die sie unter anderem in Meran geschaffen hat. Dabei untersucht sie das urmenschliche Bedürfnis, die umgebende Realität zu erklären und ihr – auch mithilfe von Geschichten undSagen – einen Sinn zu geben. Der (Karer-)See dient der Künstlerin als Metapher für die durchlässige Grenze zwischen Realität und Imagination, zwischen Aussenwelt und Psyche. Die Wasseroberfläche versteht sie dabei wie eine Membran – eine „Linse“ –, die Einblicke in die andere Welt gewährt oder diese spiegelt.

Özlem Altin arbeitet aus einer umfangreichen Sammlung von eigenen und gefundenen Bildern, Fotografien und Texten, die sie bearbeitet, übermalt, zerschneidet, neu kombiniert und einer intuitiven Erzählung folgend im Ausstellungsraum zusammensetzt. Dabei ist der Körper – seine Gesten und Haltungen – ein zentrales Thema. Für die Künstlerin „ist der Körper ein Vehikel zur Übertragung von Wissen, Erfahrung, ein Vehikel zur Kommunikation und des Austauschs“ (Reinhard Braun, camera austria, 2017). So zeigt sie in Meran den See als Biotop, in dem Lebewesen sich formieren, entwickeln, neu entstehen und transformieren, in dem sich Seejungfrauen und andere Mischwesen tummeln – ähnlich, wie in in der menschlichen Psyche ständig neue Formen und Bilder entstehen.

Özlem Altin lässt Körperfragmente, Wassertiere und Seejungfrauen in immer neuen Anordnungen in ihren Bildern auftauchen, verbunden mit rhythmischen wellenartigen Pinselstrichen, und sie lässt die Besucher*innen von der glatten, klaren Oberfläche des Sees in dessen unergründliche Tiefen tauchen.

Özlem Altin. Lens
29. Juni bis 22. September
Eröffnung: Fr 28. Juni 19, 19 Uhr

Kunst Meran
Laubengasse 163
I - 39012 Meran

W: http://www.kunstmeranoarte.org/

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  •  29. Juni 2019 22. September 2019 /
Özlem Altin, See-Lens, courtesy the artist
Özlem Altin, See-Lens, courtesy the artist
Özlem Altin, Paravent (Trümmerfrau), 2017. Photo: Markus Krottendorfer, courtesy the artist.
Özlem Altin, Paravent (Trümmerfrau), 2017. Photo: Markus Krottendorfer, courtesy the artist.
Özlem Altin, Container (corporeality, objects and affects), 2017. Photo: Markus Krottendorfer, courtesy the artist
Özlem Altin, Container (corporeality, objects and affects), 2017. Photo: Markus Krottendorfer, courtesy the artist
Özlem Altin, Shape (desire), 2019, 2017. Photo: Markus Krottendorfer, courtesy the artist.
Özlem Altin, Shape (desire), 2019, 2017. Photo: Markus Krottendorfer, courtesy the artist.