Keine Indigene Sprache Amazoniens kennt ein Wort für Kunst, dennoch verbindet sie Alltag, Ritual und Umwelt der Menschen. Die Ausstellung "(Un)Known Artists of the Amazon" im Weltmuseum Wien präsentiert Indigene Brasilianische Kunst – von traditioneller Federkunst bis hin zu zeitgenössischen Arbeiten. Im Mittelpunkt stehen Arbeiten von Indigenen Künstler:innen und Gruppen, ohne dass sie als Opfer des Kolonialismus konnotiert sind, sondern so, wie sie sich selber sehen: als starke, kreative Überlebende mit lebendigen Traditionen.
Anders als oft im Westen schafft es hier die Kunst, das Leben als großes Ganzes zu begreifen – sie verbindet Alltag, Ritual und Umwelt der Menschen. Lange Zeit wurde den Schöpfer:innen dieser Kunst jegliche Individualität abgesprochen. Sie galten als bloße Repräsentant:innen ihre Gemeinschaften und Traditionen, ihre Namen waren nicht von Interesse und wurden nicht dokumentiert. Die ca. 4.000 Objekte aus dem brasilianischen Amazonasgebiet in der Sammlung des Weltmuseums Wien sind mit ethnischen Bezeichnungen verbunden, nur selten mit den Namen ihrer Schöpfer:innen. Anders die Sammlung des Museu de Arte Indígena in Brasilien, dem Kooperationspartner dieser Ausstellung: Hier werden beinahe alle Künstler*innen mit Namen benannt, darüber hinaus besteht reger Kontakt mit ihnen.
Das Amazonasgebiet ist eine vom Menschen gestaltete, von Diversität gekennzeichnete Kulturlandschaft und gleichzeitig eines der wichtigsten Ökosysteme der Welt. Alleine im brasilianischen Amazonasgebiet leben über 200 Indigene Gesellschaften. Sie unterscheiden sich unter anderem durch Sprache und Kultur. Gemeinsam haben sie, dass sie ihre Welt mit Kunstformen gestalten, die sie mit ihrer ökologischen und spirituellen Umwelt verbinden. Ausgangspunkt der Ausstellung ist die im Westen oft bewunderte Federkunst. Beispiele der Ka’apor, Yanomami und Tapirapé zeugen von der hohen Kunstfertigkeit ihrer uns unbekannten Schöpfer. Gleiches gilt für die Gegenstände der Rikbaktsa, die der Federkünstler Messias Rikbaktsa aus der Sammlung des Weltmuseums Wien ausgewählt hat.
Die über den Besucher:innen schwebenden Hängematten von Tainá Kamayurá machen deutlich, wie sich Umwelteindrücke in der Gestaltung kunstvoller Gebrauchsgegenstände niederschlagen. Das gilt auch für die an Tierformen erinnernden Holzbänke: Sie werden in den Bäumen von den Künstlern gesehen und dann, nach dem Fällen des Baumes, aus einem Stück herausgearbeitet. Die gezeigten Keramiken und Objekte für die Maniokverarbeitung illustrieren wiederum eine eindrucksvolle Entwicklung von Haushaltsgegenständen zu Skulpturen.
Die Indigene Kunst Amazoniens ist auch performative Kunst: Maskentänze gehören zu vielen Ritualen und ermöglichen die Interaktion mit spirituellen Wesen. In der zeitgenössischen Kunst sind Masken zu Kunstwerken geworden, die keinerlei praktische Funktion mehr erfüllen. Dadurch wird eine klare Grenze zwischen rituell verwendeten Objekten und ähnlichen Objekten für den Kunsthandel gezogen.
Körperbemalung und Körperschmuck spielen nach wie vor eine große Rolle. Schmuck aus Glasperlen wurde erst durch den Kontakt mit Missionaren und Forschern möglich. Für die Künstlerinnen, die heute vor allem Halsketten und Armbänder herstellen, ist diese Kunstform zum Ausdruck ihrer Selbstermächtigung und Unabhängigkeit geworden.
Bereits in den 1970er Jahren haben Künstler:innen wie Feliciano Lana westliche Zeichen- und Maltechniken für sich entdeckt. Lanas Illustrationen der Mythologie der Desana befinden sich heute unter anderem im MoMA in New York. Der 2021 verstorbene Macuxi Jaider Esbell wurde auf den Biennalen von São Paulo und Venedig gezeigt und ist ebenfalls in der Ausstellung vertreten.
(Un)Known Artists of the Amazon
Kuratiert von Claudia Augustat, Kuratorin für die Sammlung Südamerika, Weltmuseum Wien und Julianna Podolan Martins, Direktorin des Museu de Arte Indígena, Curitiba.
Bis 21. April 2025