Mit Elfriede Mejchar (1924–2020) ist eine große Fotokünstlerin zu entdecken, deren vielseitiges Werk mehr als ein halbes Jahrhundert umspannt, von den späten 1940er Jahren bis ins 21. Jahrhundert. Die Fotografin, die als Künstlerin erst spät Anerkennung gefunden hat, gehört mittlerweile zu den wichtigsten Vertreter:innen der österreichischen und internationalen Fotoszene. Am 10. Mai 2024 wäre die Wiener Fotografin hundert Jahre alt geworden.
Die Ausstellung im musa präsentiert einen breiten Querschnitt durch das Gesamtwerk Mejchars und zeigt, wie eine künstlerische Außenseiterin die österreichische Fotografie der Nachkriegszeit quasi "im Alleingang" erneuerte. Elfriede Mejchar setzte sich bewusst vom fotografischen Mainstream und vom gängigen Reportage-Stil ihrer Zeit ab. Sie suchte nicht den sogenannten "entscheidenden Augenblick", sondern näherte sich ihren Themen sehr stark auf konzeptuelle, serielle Weise an. Nicht das Außergewöhnliche rückte sie ins Zentrum, sondern das Unspektakuläre und Gewöhnliche und Alltägliche, das sie in ihren Werkserien auf immer neue Weise umkreiste.
Ihre Heimatstadt Wien erschloss sich die Fotografin von den Rändern her, das tausendfach abgelichtete ikonische Stadtzentrum hingegen interessierte sie wenig. Als Fotografin war Elfriede Mejchar dort zu Hause, wo die Stadt ins Ländliche ausufert, wo sich die Zonen der Stadterweiterung, des Brach- und Grünlandes und des postindustriellen Zerfalls mischen. Aufmerksam und zugleich nüchtern dokumentierte sie in ihren Langzeitstudien die architektonischen und sozialen Texturen der Wiener Vorstadt: Neubauten, die sich immer weiter ins Grün hinausschieben, die Monotonie endloser Ausfallsstraßen, verfallene Industrieareale, Gemüseplantagen und in die Jahre gekommenen Gasometer, Barackensiedlungen und vergessene Schutt- und Brachlandschaften. Das Gesicht der Vorstadt ist bei Mejchar aber nicht nur grau, immer wieder blitzen aus der Ödnis des Brachlandes und des Verfalls auch Momente unvermuteter Schönheit auf.
Auch wenn die Wiener Stadt- und Architekturfotografie einen zentralen Stellenwert in Elfriede Mejchars Werk einnimmt, ist ihr Œuvre thematisch weitaus breiter. So wie die Fotografin vergessene Landschaften und Bauwerke in einem neuen fotografischen Licht erscheinen lässt, so nähert sie sich auch Menschen und Pflanzen, Orten und Dinge auf ungewohnte, überraschende Weise. In ihrer Serie "Hotels" buchstabiert sie die Interieurs und Typologien österreichischer Unterkünfte durch, in ihren faszinierenden, oft in leuchtenden Farben gehaltenen Pflanzen- und Blumenstilleben lotet sie die Zwischenstufen zwischen Blühen und Verwelken ästhetisch aus. Und in ihren frechen Collagen und Montagen, einem Werkkomplex, den sie bis ins hohe Alter weiterführte, baute sie gewitzte Fantasiewelten, die gleichermaßen gesellschaftskritisch und humorvoll sind.
Im Alleingang
Die Fotografin Elfriede Mejchar
Ausstellungsort musa, Felderstraße 6-8, 1010 Wien
Bis 1. September 2024