Playgirl

Ein Model kommt Mitte der 1960er Jahre nach Berlin, wickelt die Männer um den Finger, hat einige Fotoshootings. – Ein wie die Jazzmusik federleichter, improvisierter Film, dem der Augenblick wichtiger ist als ein großer Handlungsbogen – und im Zentrum eine famose junge Eva Renzi. Bei Daredo/Darling Media ist Will Trempers 1966 gedrehter Spielfilm auf DVD erschienen.
Mit dem Zusatz "Kein Film für alte Leute" wurde Will Trempers (1928 – 1998) vierter Spielfilm bei seinem Kinostart 1966 beworben. Und in der Zeit von Edgar-Wallace- und Karl May-Filmen, in der sich der Neue Deutsche Film sich erst langsam entwickelte, musste "Playgirl" tatsächlich wie ein Film von einem anderen Stern wirken – oder wie ein Werk der französischen Nouvelle Vague: Jugendlich-frisches Kino, das auch nach fast 50 Jahren wenig von seinem Reiz verloren hat.
Schon mit der ersten Einstellung irritiert und überrascht Tremper, wenn er nicht mit einem Establishing-Shot, sondern dem Blick auf die Augenwimper einer vermeintlich liegenden jungen Frau (Eva Renzi) beginnt. Aus ihrer Perspektive blickt man sodann steil nach oben auf einen Mann mit Sonnenbrille und Hut, der – wie man bald erkennt – am Steuer eines Wagens sitzt. Unterwegs ist das Duo nach Berlin. Kaum mehr zu halten ist das Model Alexandra Borowski, als der Funkturm sichtbar wird.
Ihren Chauffeur wird Alexandra zwar bald zurücklassen, wird sich von anderen Männern die Koffer tragen und herumchauffieren lassen, wird sich in den Büroleiter eines Bauunternehmers (Harald Leipnitz) verlieben, wird mit einem Fotografen einige Fotosessions machen.
Unbekümmert und befreit wie die Jazzmusik von Peter Thomas ist die Erzählweise dieses Schwarzweißfilms. Hier geht es nicht um stringenten Handlungsaufbau, sondern um das Einfangen des Augenblicks. Improvisiert wirkt da vieles, ungemein lebensecht die Dialoge durch die Alltagssprache. Kongenial passt diese Erzählweise auch zur unsteten Protagonistin, die einerseits eben auch macht, wozu sie gerade Lust hat, andererseits aber im Innern doch unsicher ist, Bindungsängste hat.
Nach Truffauts berühmtem Bonmot ein Film sei dazu da, schöne Mädchen schöne Dinge machen zu lassen, fokussiert auch Tremper ganz auf der jungen Eva Renzi, die mit ihrer Präsenz und ihrer Lebendigkeit den Film dominiert.
Gleichzeitig lässt der gelernte Journalist aber auch die Zeitstimmung einfließen, deckt das Desinteresse der jungen Generation an der Nazi-Zeit auf, deutet mit dem Bauunternehmer die Zeit des Wirtschaftswunders an, macht in einer Kinovorschau mit einer Werbung für einen Rasierer ebenso die zunehmende Elektrifizierung der Haushalte wie in einer Wochenschau den Vietnamkrieg bewusst.
Und schließlich ist "Playgirl" ein großer Berlinfilm, denn der Blick auf den Funkturm ist nur der Anfang einer Reise durch die Stadt vom Olympiastadion über den Kurfürstendamm, die Berliner Mauer, den Blick von einem Hochhausdach über die Stadt, auf ein Autorennen und und eine Pferderennbahn bis zu einem Park. Wie hier die Schauplätze quasidokumentarisch eingefangen werden, macht diesen Film durchaus zu einem interessanten Dokument zur Stadtgeschichte und der Atmosphäre Berlins in den 1960er Jahren.
An Extras bietet die bei Daredo/Darling Media erschienene DVD neben zwei Trailern zu "Playgirl" sowie Trailern zu den Tremper-Filmen "Die endlose Nacht" und "Flucht nach Berlin" ein Interview mit Peter Thomas, der die Filmmusik komponierte.
Trailer zu "Playgirl"