Den Kinobetreibern machte das Filmjahr 2007 kaum Freude, denn echte Kassenschlager fehlten. Über die Qualität des Jahrgangs sagt das freilich nichts aus. – Großartige Filme gab es zwar nicht zur Genüge (das gibt es ja nie), aber doch viele. Entdecken musste man diese freilich selbst, denn selten werden sie medial groß beworben.
Die Zuschauerzahlen sind vorerst einmal für die Schweiz - aber in Österreich und Deutschland wird es kaum anders ausschauen – sind schlecht. Verwundern kann das freilich kaum: Wer will schon sehen, wenn Sylvester Stallone zum sechsten Mal in den Ring steigt ("Rocky Balboa"), wenn "Shrek" ein drittes Mal aufgewärmt wird, Harry Potter zum fünften Mal zaubert ("Harry Potter und der Orden des Phönix"), Danny Ocean zum dritten Mal spielerisch-lässig einen Hold-Up plant ("Ocean´s Thirteen") und durchführt und Jack Sparrow zum dritten Mal in See sticht ("Fluch der Karibik 3 - Am Ende der Welt"). Auch Spiderman verhedderte sich bei seinem dritten Abenteuer im selbst gesponnenen Netz ("Spiderman 3") und über solide Action, der eben das gewisse Etwas zum Kassenschlager fehlt, kam letztlich auch "Die Hard 4.0" und "The Bourne Ultimatum" nicht wesentlich hinaus. Wieder – und immer mehr – setzte man natürlich auch auf computeranimierte Trickfilme. Neben "Shrek 3", "Bee-Movie – Das Honig-Komplott" und "Könige der Wellen" kam auch "Ratatouille" ins Kino. Letzterer vermochte zwar durch liebevolle und detailreiche Gestaltung sowie das hohe Erzähltempo zu begeistern, entwickelte sich auch – zumindest in der Schweiz - zum erfolgreichsten Film des Jahres, stieß vor allem bei Kindern aufgrund des Themas "Die hohe Kunst des Kochens" aber wohl kaum auf Interesse. Angesichts der Vielzahl der Fortsetzungen und relativ risikoloser Retortenprodukte muss man im Grunde die Zuschauereinbrüche geradezu positiv sehen und sich denken: Recht geschieht der Branche. – vielleicht entschließt man sich doch wieder einmal unverbrauchte Talente unverbrauchte Themen anzugehen und so – freilich mit dem Risiko des Absturzes – eventuell einen richtigen Hit zu landen. Den Hit gab es freilich auch im Arthouse-Bereich nicht. Trotz Audrey Tautou und "Zusammen ist man weniger allein" konnten die Kleinkinos von einem Film, der sich wie "Wie im Himmel im letzten Jahr durch Mundpropaganda zum Longseller entwickelt, in diesem Jahr nur träumen. Wundern kann man sich freilich nur über Leute, die immer wieder beklagen, wie schlecht das Kinoprogramm gerade sei, während man doch selber gerade wieder in der letzten Woche vier oder fünf wirkliche Trouvaillen sei es aus den USA, aus Europa oder den Ländern des Südens entdeckt hat. – Dazu muss man freilich das Kinoprogramm studieren und darf sich nicht nur auf das Angebot der Programmkinos und Filmclubs verlassen. Und direkt vor der Haustür findet man dieses breite Angebot – wie auch in anderen Kunstbereichen – freilich auch nicht - Man muss eben auch bereit sein etwas auszuschweifen und eine Fahrt von bis zu 40 km oder rund einer halben Stunde - für Theateraufführungen, Konzerte oder Ausstellungen längst eine Selbstverständlichkeit - in Kauf zu nehmen. Auch im Nahraum sehen konnte man so dieses Jahr beispielsweise aus Amerika Clint Eastwoods grandioses Kriegs-Dyptichon "Flags of Our Fathers" und "Letters from Iwo Jima". – Nur sehen wollten das nicht viele. Etwas besser ging es da vielleicht David Fincher, der mit "Zodiac" einen meisterhaften Thriller vorlegte, der auf Gewalt fast ganz verzichtete und sich auf die psychologische Ebene konzentrierte. War das im Werk von Fincher eine nicht zu erwartende Wende, so überraschte der als Schauspieler ziemlich untergegangene Ben Affleck mit seinem kaum weniger eindrucksvollen Regiedebüt "Gone Baby Gone". Hielt sich bei diesen Filmen das Zuschauerinteresse schon in Grenzen, so ging Billy Rays packendes Psychogramm "Breach – Enttarnt" an der Kinokasse bedauerlicherweise ebenso unter wie Robert de Niros weit ausholender Blick ins Innere des CIA in "The Good Shepherd". Während für einen letzten – vermutlich auch kommerziell recht erfolgreichen – Höhepunkt zum Jahreswechsel David Cronenbergs brillanter Thriller "Eastern Promises" sorgt, hat es Gus Van Sants "Paranoid Park" bislang nur in die österreichischen Kinos – und hier nur in wenige - geschafft. Den die Narration zerstückelnden und auf jedes Psychologisieren verzichtenden Stil, der schon "Elephant" und "Last Days" zu ebenso irritierenden wie faszinierenden Filmerlebnissen machte, perfektioniert der Amerikaner hier und liefert damit ein weiteres aufregendes, auf einfache Erklärungen verzichtendes Porträt einer allein gelassenen Jugend. Nur auf Festivals wie der Viennale, aber noch nicht in den Kinos der deutschsprachigen Länder zu sehen, war dagegen bislang der brillante mit pechschwarzem Humor durchsetzte beinharte neue Film der Coen-Brüder, die mit "No Country for Old Man" einen Roman von Cormac McCarthy adaptierten. Der schönste Film des Jahres kam aber nicht aus Amerika, sondern aus Japan. In die Kinos freilich schaffte es Naomi Kawases zutiefst bewegende Trauerarbeit "Mogari no mori" noch nicht. Gleiches gilt – wenig überraschend – auch für den formal wohl radikalsten und konsequentesten Film des Jahres. Einiges mutet Masahiro Kobayashi mit seinem Locarno-Sieger "Ai no yokan" dem Zuschauer zu, wenn er über rund 90 Minuten die Monotonie eines sich täglich wiederholenden Alltags und die tief verinnerlichten Schuld- und Trauergefühle durch fast – aber eben nur fast – unveränderte Wiederholung von wortlosen Szenen vermittelt. Schimmert bei den beiden Japanern am Ende Hoffnung auf, so verharrt der überraschende rumänische Cannes-Sieger "4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage" in Düsternis. – Ein beklemmendes mit atemberaubender Konsequenz und Stringenz inszeniertes und herausragend gespieltes Abtreibungsdrama gelang Cristian Mungiu hier mit seinem zweiten Spielfilm. – Überhaupt war 2007 das Jahr des rumänischen Films. Neben Mungiu machten auch Catalin Mitulescu mit "Comment j´ai fête la fin du monde" und Corneliu Porumboiu mit "12:08 östlich von Bukarest" nachdrücklich auf sich aufmerksam. Während aus dem in den letzten Jahren auf filmischem Bereich florierenden Lateinamerika heuer zwar durchaus interessante, aber abgesehen von Guillermo del Toros an Bildkraft schier überbordendem "Pans Labyrinth" kaum herausragende Filme in unsere Kinos kamen, gab das afrikanische Kino mit Abdherramane Sissakos "Bamako" und Mahamat-Saleh Harouns "Darratt" ein starkes Lebenszeichen von sich. Vom europäischen Kino wiederum gab es kaum etwas Neues zu vermelden. Bekannte Namen wie der Franzose Alain Resnais mit "Herzen - Coeurs", der Brite Stephen Frears mit "The Queen", die Deutschen Christian Petzold mit seinem messerscharf inszenierten "Yella" und Fatih Akin mit seinem gelassenen, aber bewegenden Melodram "Auf der anderen Seite" oder der Österreicher Ulrich Seidl mit seinem schonungslosen Blick auf menschliche Gemeinheiten und Erniedrigungen in "Import Export" sorgten hier für die Highlights. Ob 2008 auch eine solche Dichte an starken Filmen bringen wird, steht noch in den Sternen. Mit Paul Thomas Andersons "There Will Be Blood", Sidney Lumets in den USA gefeiertem "Before the Devil Knows", Michael Hanekes eigenem amerikanischen Remake seines "Funny Games", Brad Andersons ("The Mashinist") "Transsiberian", Marc Forsters "The Kite Runner", Sean Penns "Into the Wild" und Atom Egoyans in der Postproduktion befindlichem "Adoration" kündigen sich aber doch schon einige hochkarätige Namen – und hoffentlich auch Filme – an.