Anna Margrit Annen - Rasterungen, Strukturen, Geflechte, Netze

In der künstlerischen Arbeit von Anna Margrit Annen gehören Rasterungen, Strukturen, Geflechte, Netze und weitere Überlagerungsformen von Linien und Flächen zu signifikanten Gestaltungselementen, die in unterschiedlichen Formen und Intensitäten auftreten. Für den Ausstellungsraum der Kunsthalle Luzern entwickelte die Künstlerin eine sinnlich-atmosphärische Setzung mit einer Auswahl ihrer aktuellen Werke.

Auch das Wachstum – im Sinne von 'gedeihen' und 'sich entwickeln können' – gehört zu einer grundlegenden Thematik innerhalb ihrer Kunstproduktion. Wie beginnt etwas zu wachsen? Wie lässt sich der Wachstumsprozess beeinflussen? Gibt es genügend Raum, um sich auszudehnen?

Die vier Malereien auf Leinwand – mit den Titeln "Raum 18", "Raum 20", "Raum 21" und "Raum 24" – verweisen auf die thematische Auseinandersetzung im Spannungsfeld von Räumlichkeit, Rasterung und Wachstum. Die Bilder entstehen während eines mehrschichtigen Malprozesses, wobei sich Anna Margrit Annen an Farbstimmungen wie auch räumlicher Wahrnehmung orientiert. Sie konstruiert mit zeichnerischen Elementen ein abstrakt-malerisches Gefüge an überlagernden Flächen, Formen und Linienstrukturen, was zu einer komplexen Vernetzung innerhalb der Werke führt.

Für ihre Installation "O S N W" verwendet die Künstlerin mehrfach und doppelseitig bemalte Büttenpapiere, die sie als modulare Grundelemente für eine zusammenwachsende Raumstruktur verwendet. Sie arrangiert ihre freihändig gerasterten Malereien auf der Wand und nutzt die Schräge als Imperfektion, um neuartige Zwischenräume zu generieren, die den Betrachter:innen ein geändertes Raumgefühl suggerieren. Ebenfalls aus dieser Werkserie entstammen die installativen Kombinationen "Klang" und "kleiner Klang", die mit architektonischen Elementen – sei es der Boden oder die markante Deckenstruktur – der Kunsthalle Luzern korrespondieren.

So wächst das Raster auch in den Raum hinein und manifestiert sich in den freistehenden Objekten, worin sich zahlreiche Verbindungsformen widerspiegeln. "Daisyworld" als malerisch-gestische Auseinandersetzung verbindet sich selbst mit einer schwarzen Kordel, während der "Archetyp", mit mehreren Farbschichten überzogen, eine regelrechte Ansammlung an verschiedenen Verbindungsmöglichkeiten darstellt. Eine räumliche Ausdehnung erfährt das gefaltete Objekt "Quilt", welches die Künstlerin aus alten Kleider- und Stoffresten zusammengenäht und im Raum drapiert wurde. "Saat" nennt Anna Margrit Annen ihre sieben Einzelobjekte, die jeweils aus exakt 1.08m² grossen Kartonplatten hergestellt bzw. komprimiert wurden und nun – zugebunden mit blauer Schnur – hinter der Theke montiert sind. Bemalt mit glänzender Lackfarbe hängt das Saatgut in einem möglichen Zustand der Keimung in den handgeknüpften Netzen. Ob es noch ein bisschen Wasser aus der Giesskanne braucht?

Ohne Wasser wächst nichts. Um diesen Umstand zu versinnbildlichen, integriert Anna Margrit Annen selbstaufgenommene Videoaufnahmen, die als poetische Referenz an die Thematik des 'Wachsens' wahrgenommen werden können. Eine junge Frau giesst im Video "nachts 1" die Blumen im Garten in völliger Dunkelheit, während man bereits das frühmorgendliche Vogelgezwitscher hört. Im Kabinett plätschert ein Bach quer durch den Raum, über den eine pragmatisch konstruierte Holzbrücke führt. Blickt man auf der Brücke stehend in die beiden Richtungen, lassen sich zwei unterschiedliche Verläufe desselben Baches beobachten: Einerseits wird das Wasser durch die Sonne und das Schattenspiel der Bäume in einen glitzernden Zustand versetzt, während auf der anderen Seite weisslicher Schaum auf dem wild sprudelnden Wasser entsteht.

Anna Margrit Annen lebt und arbeitet in Luzern.

Anna Margrit Annen – weit
16. Jänner bis 20. März 2022