Rund 11.000 Einzelobjekte, darunter tausende Originalentwürfe und Stoffmuster aus der Zeit des Historismus, des Jugendstils, des Art déco oder des Kinetismus – unter anderem mit Werken von Josef Hoffmann oder Koloman Moser – können ab November 2024 im Leopold Museum im Rahmen einer Sonderausstellung erstmalig öffentlich besichtigt werden.
Die Schau "Poesie des Ornaments. Das Archiv Backhausen" (13. November 2024 bis 9. März 2025) wird Einblick in die fantastische Vielfalt der Sammlung geben. Darüber hinaus werden ausgewählte Objekte im Rahmen der Wien 1900 Dauerpräsentation im Leopold Museum permanent zu sehen sein.
Die im Dezember 2022 verstorbene Unternehmensinhaberin Louise Kiesling hatte nach ihrer Übernahme von Backhausen im Jahre 2014 die einzigartige Sammlung katalogisiert und digitalisiert. Ihre persönliche Vision, die durch Wertschätzung für und das Wissen über das österreichische Textilhandwerk geprägt war, kann so im Sinne der Familie weitergeführt werden. Nicht zuletzt der Kunstaffinität und dem Weitblick der Leihgeber ist die erfreuliche Verwirklichung dieses Vorhabens zu verdanken. Leopold Museum Direktor Hans-Peter Wipplinger betont die Wichtigkeit dieser signifikanten Erweiterung des Bestandes.
Die Dauerpräsentation "1900. Aufbruch in die Moderne" im Leopold Museum ist die weltweit umfassendste Zusammenschau zur Kunst und Kultur in Wien um 1900. Die Ausstellung führt vom Historismus über Jugendstil und Expressionismus bis zur Neuen Sachlichkeit. Gemälde und grafische Arbeiten bedeutender Künstler:innen wie Hans Makart, Tina Blau, Gustav Klimt, Egon Schiele, Oskar Kokoschka oder Broncia Koller-Pinell sind ebenso zu sehen wie erlesene Beispiele des Kunstgewerbes der Wiener Moderne. Hier knüpfen die Bestände des bedeutenden Archives der Firma Backhausen kongenial an und ermöglichen durch die Übergabe des Archivs in die Obhut des Museums auch weiterhin die wissenschaftliche Erforschung der Objekte sowie die Präsentation im In- und Ausland.
Das Unternehmen Joh. Backhausen & Söhne zählt zu den traditionsreichsten Möbel- und Dekorstoffproduzenten in der österreichischen Geschichte. Gegründet wurde der Betrieb bereits um 1840 in Wien von Jakob Backhausen (1789–1849). Der Sohn eines Webermeisters kam 1811 aus dem Rheinland nach Wien, wo er ein Haus in Gumpendorf erwarb. Sein Sohn Johann Backhausen (1818–1866) übernahm den Betrieb 1849, im Todesjahr des Vaters, und gründete gemeinsam mit seinem Bruder die Firma Karl & Johann Backhausen & Co. Die hohe Qualität der Produkte führte bald zu internationalen Auszeichnungen. Nach dem Ausscheiden von Karl aus dem Unternehmen wurde dieses in Johann Backhausen, k.k. ausschließlich privilegierte Mode- und Chenillefabrik umbenannt. Johann sicherte sich die Patente zur Produktion von Chenillewaren in Österreich, Frankreich und Sachsen und lieferte sogar in die Vereinigten Staaten. 1864 bezog man ein Verkaufslokal an der neuen Ringstraße, in dem von Theophil von Hansen gegenüber der Wiener Hofoper errichteten Heinrichshof. Hochwertige Modestoffe sowie die Anfertigung von Möbel und Vorhangstoffen, von Damasten, Brokaten und Teppichen aus Seide und Wolle bildeten die Hauptproduktionszweige. Der florierende Betrieb fertigte Stoffe für die Innenausstattung mehrerer Wiener Ringstraßengebäude an, unter anderem für die k.k. Hofoper, das Reichsratsgebäude (Parlament), das Wiener Rathaus sowie das Hofburgtheater. 1888 wurde Johann Backhausen für seine qualitätsvolle Arbeit und seine hochwertigen Produkte der Titel k.u.k. Hoflieferant verliehen.
Ab 1903 widmete sich Backhausen – nicht zuletzt durch die intensive Kooperation mit der im selben Jahr gegründeten Wiener Werkstätte unter dem Gründungstrio Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz Waerndorfer – intensiv der Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstler:innen, unter ihnen herausragende Protagonist:innen der Wiener Moderne wie die eben genannten Künstler Josef Hoffmann und Koloman Moser, sowie u.a. mit Otto Wagner, Joseph Maria Olbrich, Jutta Sika, Dagobert Peche, My Ullmann oder Otto Prutscher. Backhausen spezialisierte sich auf die Umsetzung ihrer Entwürfe in gewerbliche Erzeugnisse. Die fruchtbare Symbiose gipfelte etwa in den Ausstattungen des Sanatorium Purkersdorf 1904/05, der Villa Ast (1911) der Villa Skywa-Primavesi 1913–1915, des Palais Stoclet in Brüssel 1905–1911 oder der Villa Knips (1924).