Die deutsche Dadaistin Hannah Höch (1889–1978) gehört zu den Erfinder:innen der modernen Collage und gilt als zentrale Protagonistin der Kunst der 1920er-Jahre. Das Zentrum Paul Klee widmet ihr eine umfangreiche Ausstellung, die erstmals einen Fokus auf Höchs Auseinandersetzung mit der visuellen Kultur der Moderne und insbesondere dem Film legt. Rund um Hannah Höch entfaltet sich ein einzigartiges Panorama der Avantgarde. Eine Ausstellung des Zentrum Paul Klee, Bern in Kooperation mit dem Belvedere, Wien, wo die Ausstellung vom 21. Juni bis 6. Oktober 2024 zu sehen sein wird.
Im Zentrum der Schau stehen rund 60 Fotomontagen von Hannah Höch. Die Arbeiten reichen von ihren künstlerischen Anfängen in den 1910er-Jahren über die Zeit mit den Berliner Dadaisten bis hin zu den surrealistischen Tendenzen nach dem Zweiten Weltkrieg. In 15 thematisch angelegten Räumen werden die Werke in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext gezeigt und Hauptwerken von Pablo Picasso, Kurt Schwitters, Fernand Léger oder Wassily Kandinsky gegenübergestellt. Darunter befinden sich 15 Werke aus der Sammlung des Kunstmuseum Bern. Durch die thematische Gliederung werden die Originalität und thematische Vielfalt, aber auch die historische Bedeutung von Höchs Werk sichtbar. Prominent gezeigt wird zudem das "Album", eine einzigartige und umfangreiche Bildersammlung Hannah Höchs, die den Blick der Künstlerin auf die Bilderwelt ihrer Zeit eindrücklich nachvollziehbar macht.
Als eine der ersten Künstler:innen überhaupt machte Höch die Medien und die Macht der Bilder zum Gegenstand ihrer Kunst. Ihre Fotomontagen komponierte sie aus Ausschnitten von Zeitungen und Zeitschriften – eine Technik, die sie ab 1918 entwickelte und der sie bis an ihr Lebensende treu blieb. Als einzige Frau zählte sie zum Kreis der Berliner Dadaisten. Im Geiste des Neubeginns und des rasanten technologischen Fortschritts nach dem Ersten Weltkrieg "montierten" diese Künstler:innen ihre Werke aus den Bruchstücken der Massenkultur. Ihre Bilder bezeichneten sie als "Montagen". Im Zentrum stand die revolutionäre Idee, die Welt in ihre Bestandteile zu zerlegen und daraus neue Welten zu erschaffen. Neben der Kunst fand die Montage auch rasch in Grafikdesign, Werbung und politischer Propaganda Anwendung und entwickelte sich so zu einem zentralen Prinzip der Avantgarde.
Neben Werken von Zeitgenossen umfasst die Ausstellung auch elf historische Filmprojektionen, die erstmals Höchs intensive Auseinandersetzung mit dem Film verdeutlichen. Dazu gehören Werke von Hans Richter und László Moholy-Nagy, mit denen die Künstlerin befreundet war. In der Zwischenkriegszeit übte das noch neuartige Medium Film eine starke Faszination auf viele Künstler:innen aus. Auch Höch sah ihre Fotomontagen "im Grenzbereich des Films". Wie der Film nutzt die Fotomontage Schnitt und Montage, um einzelne Aufnahmen zu komplexen Erzählungen zu verbinden. Die gezeigten Filme beruhen auf neuen Forschungserkenntnissen zu Hannah Höch und bieten zugleich ein mediales Erlebnis des avantgardistischen Bilderwelt der 1920er-Jahre.
Höchs frühe Fotomontagen reflektieren mit viel Ironie gesellschaftliche oder politische Themen wie die Macht der Massenmedien, das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine, Geschlechterrollen oder den Aufstieg des Nationalsozialismus. Vermeintlich starke Männer werden von Höch mit der Schere regelrecht "entmannt" oder in die Flucht getrieben, und ihre montierten Porträts von Menschen erinnern an die neuartige Verwendung von Prothesen im Ersten Weltkrieg.
Nach dem Zweiten Weltkrieg rückte die Natur zunehmend ins Zentrum ihres Schaffens. Abstrakte und gegenständliche Motive fliessen in diesen Arbeiten zu traumartigen, surrealistisch anmutenden Landschaften zusammen. Auch der Garten ihres Hauses im Berliner Aussenbezirk Heiligensee, in dem sie den Zweiten Weltkrieg in "innerer Emigration" überlebt hatte, wurde zu einer wichtigen Inspirationsquelle. Nach 1945 entwickelte Höch die Fotomontage zu einer poetischen Methode, um aus den Konventionen des Alltags auszubrechen und die Welt immer wieder aus neuer Perspektive zu sehen: "Ich möchte die festen Grenzen auswischen, die wir Menschen mit einer eigensinnigen Sicherheit um alles gezogen haben. (…) Ich würde heute die Welt aus der Sicht einer Ameise wiedergeben und morgen so, wie der Mond sie vielleicht sieht." Hannah Höch
Obwohl Höch ihre Montage-Technik zeitlebens kaum veränderte, sind ihre Arbeiten von einer grossen thematischen Vielfalt. Meist bleiben sie – trotz ihres erzählerischen Charakters – geheimnisvoll und laden zu neuen Interpretationen ein.
Hannah Höch. Montierte Welten
Bis 5. Februar 2024
Eine Ausstellung des Zentrum Paul Klee, Bern in Kooperation mit dem Belvedere, Wien, wo die Ausstellung vom 21. Juni bis 6. Oktober 2024 zu sehen sein wird.