Das Kunsthaus Zug widmet dem Schweizer Fotografen Guido Baselgia die erste umfassende Retrospektive. Gezeigt werden rund zweihundert sorgsam ausgewählte Arbeiten aus allen Werkperioden seit den 80er-Jahren.
Erstmalig werden neue, farbige Fotografien von Guido Baselgia vorgestellt. Sie markieren einen Wendepunkt und lassen das frühere Werk in einem veränderten Licht erscheinen. Die Bilder entstehen dank einer vom Künstler selbst entwickelten und hergestellten, mobilen Camera Obscura. Damit lässt er das Licht direkt wirksam werden und verzichtet auf fotografische Mechanik und Technik. Der detailgenaue Meister der analogen Fotografie geht an die elementaren Anfänge des Bildmediums seit der Antike – um zu den "Luftfarben", wie der Künstler sie nennt, zu kommen. Im hohen Norden von Norwegen sowie auf dem Piz Languard in seiner Herkunftsregion und zuletzt an der französischen Atlantikküste entstanden beeindruckende Aufnahmen, die von der Faszination für den Zauber der aus einfacher Lichtbrechung erscheinenden Himmelsfarben des blauen Planeten zeugen. Der Fotograf gibt die ästhetische Bildkontrolle weitgehend an den natürlichen Lichtprozess ab und lässt sich von den Ergebnissen der Bildexpeditionen überraschen. Er betreibt einen grossen Zeit- und Reiseaufwand für neu unscharfe, schummrige Bilder. Ihr in Farbflecken und Farbschleiern glühendes Eigenlicht mit Andeutungen von Landschaften wirkt, bei aller spröden Sachlichkeit des Verfahrens, vieldeutig emotional. Was wir empfinden und erkennen, bleibt unerreichbar fern und scheint zugleich präsent. Das Anfängliche und Einfache dieses Bildermachens, das ohne die lange Erfahrung des Künstlers nicht zu denken ist, hängt mit der Gegenwart einer in der digitalen Bilderflut untergehenden Welt zusammen. Baselgia spricht vom "Erkennen der Wirklichkeit in der Unschärfe der Welt".
Für den neuen Strassenunterhalts-Stützpunkt auf der Bernina Passhöhe entwickelte Baselgia in Zusammenarbeit mit den Architekten Bearth & Deplazes eine begehbare Camera Obscura (2019). Panoramahaft bildet das eintretende Licht im Raum das Bergmassiv an runden Wänden seitenverkehrt und auf dem Kopf ab, wobei das schummrige Negativ-Bild bei längerer Betrachtung an Klarheit und Farbigkeit gewinnt. In der Ausstellung im Kunsthaus Zug zeigt Baselgia aus der Rotunde grossformatige, dort direkt gemachte Fotopapierbelichtungen mit einer überraschend vibrierenden, abstrakten Struktur.
Stellvertretend für das frühere Reportagewerk, das Baselgia seit den 1980er-Jahren in die Länder hinter dem Eisernen Vorhang führte und in der Ausstellung vorgestellt wird, ist sein Essay über Galizien (1990) zu nennen, der im Zusammenhang des Ukrainekriegs aktuell wurde. Die versunkene, faszinierende Welt dieser Region in der heutigen Westukraine, im Zentrum Europas, ist nun noch einmal neu vergangen.
Nach der Ausstellungseröffnung am 29. September 2023 strahlt das Schweizer Fernsehen in der Sendereihe "Sternstunde Kunst" einen Dokumentarfilm über Guido Baselgia aus. Dieser Film beschäftigt sich ausführlich mit der Entstehung der neuen Farbbilder, die in der Zuger Ausstellung erstmals zu sehen sind.
Guido Baselgia – Lichtstoff und Luftfarben
30. September 2023 bis 4. Februar 2024
Kurator: Dr. Matthias Haldemann