Florin Granwehr - Ordnung ist der Saum des Chaos

Das Museum Haus Konstruktiv würdigt den Künstler Florin Granwehr (1942–2019) mit einer Retrospektive. Der Plastiker und Zeichner hat ein vielschichtiges Œuvre hinterlassen, das neben mehreren realisierten Kunst-am-Bau-Projekten und Plastiken im öffentlichen Raum eine Fülle von kaum veröffentlichten Skizzen, Modellen und Zeichnungen umfasst. Mit einer exemplarischen Werkauswahl wird das Granwehrsche Schaffen nun in seiner ganzen Bandbreite gezeigt.

Viele Schweizerinnen und Schweizer dürften der einen oder anderen Grossplastik von Florin Granwehr schon begegnet sein: Insbesondere im Kanton Zürich konnte der gebürtige St. Galler, der bereits in den 1960er-Jahren in Zürich seine Wahlheimat fand, verschiedene Werke im öffentlichen Raum realisieren, so zum Beispiel "Raumwandler" (1984) auf dem Campus Irchel der Uni Zürich, "Axiomat" (1990) am Schiffsteg in Wollishofen oder "Angulon" (1999) vor dem Bezirksgebäude. Eine der letzten von ihm ausgeführten Arbeiten, "Transeunt", steht seit 2005 vor dem "Schwesternhaus" des Universitätsspitals Zürich. Die Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv zeigt, dass Granwehrs vollendeten Plastiken stets ein vielstufiger Arbeitsprozess vorausging, der von ersten schnell angefertigten Ideenskizzen auf Papierservietten über akribisch genaue Zeichnungen, plastische Drahtentwürfe und exakte Holzmodelle führt. Dass der Bildhauer im Stillen ein über 40'000 Blätter umfassendes zeichnerisches Werk entwickelt hat, an dem er bis 2018 unentwegt arbeitete, wird in der Ausstellung ebenfalls thematisiert.

Granwehrs Werke sind stets nach einer auf Mathematik und Geometrie gründenden Logik konstruiert. Die Nähe zur konstruktiv-konkreten Kunst scheint augenfällig, wobei der Künstler selbst wiederholt betonte, nichts mit den Zürcher Konkreten gemein zu haben. Da viele seiner Arbeiten wie Denkmodelle anmuten, ist auch eine gewisse Nähe zur konzeptuellen Kunst nicht von der Hand zu weisen. Dies lässt sich besonders gut an seinem zeichnerischen Hauptwerk nachvollziehen, dem Granwehrschen Theorem, einer auf der Zahlenfolge 3, 4, 5, 6 basierenden harmonikalen Ordnung, die der Künstler in den Ziffern der Jahreszahl 1998 entdeckte. Fasziniert von der Harmonie, die sich durch die Doppelung, Division, Addition und Umkehrsubtraktion von 3, 4, 5 und 6 ergibt, führte Granwehr 1998 diverse Gleichungen zusammen: 33 + 44 + 55 + 66 = 198; 198: (3 + 4 + 5 + 6) = 11; 1998: (3 + 4 + 5 + 6) = 111; 951 – 753 = 198; 357 – 159 = 198 etc.

Um die Jahrtausendwende brachte Granwehr seine Beobachtungen mit Bleistift und Lineal zu Papier, indem er sie in verschiedenen Mass- und Winkelverhältnissen, Rotationen und Achselspiegelungen erprobte. Bis kurz vor seinem Tod arbeitete er obsessiv und unermüdlich daran weiter – mit bis zu acht Blättern am Tag. Gegliedert sind diese in Folgen von jeweils 32 Blättern, die er sorgfältig in Kartonschachteln archivierte oder als Papierstapel in seinem Atelier deponierte und nur selten öffentlich präsentierte.

Florin Granwehr
«Ordnung ist der Saum des Chaos»
28. Oktober 2021 bis 16. Jänner 2022
kuratiert von Sabine Schaschl und Evelyne Bucher