Wovon wir leben

Georg Gerster gehört weltweit zu den bedeutendsten Vertretern der Flugfotografie. 50 Jahre nach seinem ersten Fotoflug, zu dem er 1963 im Sudan startete, widmet ihm die Fotostiftung Schweiz in Winterthur eine monografische Ausstellung. Unter dem Titel "Wovon wir leben – Flugbilder von Georg Gerster" geht es dabei um das Thema Welternährung, ein Schwerpunkt in seinem Schaffen. Neben einigen Ikonen präsentiert die Schau auch viele unbekannte Werke.

Fliegen und fotografieren: Schon im 19. Jahrhundert hat die Verbindung dieser technischen Errungenschaften eine eigene Kategorie von Bildern hervorgebracht und eine ganz neue Wahrnehmung der Welt eröffnet. Flugbilder vermitteln nicht nur atemberaubende ästhetische Erlebnisse, sie erlauben es auch, geografische, biologische, ökologische, wirtschaftliche oder politische Zusammenhänge zu entdecken, die dem menschlichen Auge am Boden verborgen bleiben. Kaum eine fotografische Perspektive ruft so viel Staunen hervor wie die Sicht von oben.

Der Schweizer Georg Gerster (geb. 1928 in Winterthur) hat in einem halben Jahrhundert Flugfotografie die herkömmliche Luftaufnahme zum Flugbild veredelt. Dabei erlangte der promovierte Germanist nicht nur technische Meisterschaft. Bei Gerster verbindet sich die Faszination für abstrakte Formen und berauschende Farben mit dem Drang nach Erkenntnis. Der dem Flugbild eigene Verfremdungseffekt ist ihm nicht Selbstzweck. Vielmehr nutzt er ihn, um beim Betrachter Respekt für die Schönheit und Einzigartigkeit unseres Planeten zu wecken.

Gerster fördert damit aber auch das Verständnis für gewachsene, jahrtausendealte Strukturen und Lebensformen, und er dokumentiert die Auswirkungen von menschlichen Eingriffen in den ökologischen Kreislauf. Seine ausführlichen Kommentare zu den oft rätselhaften Bildern zeugen von intensiver fachlicher Auseinandersetzung mit den sichtbaren Gegebenheiten. Die Ausstellung "Wovon wir leben – Flugbilder von Georg Gerster" widmet sich dem Thema der verfügbaren Ressourcen – ein Thema, das in der Agenda des 21. Jahrhunderts ganz oben steht.

In den Werken von Georg Gerster findet diese oft nur abstrakt und mit statistischem Material diskutierte Herausforderung einen überzeugenden symbolischen Ausdruck. Dabei rufen seine Bilder, statt mit plakativen Anklagen und Antworten aufzuwarten, immer wieder die Komplexität des Themas in Erinnerung. Mehr noch: Wer sich in Georg Gersters Arbeiten vertieft, darf sich durchaus von der Schönheit der Oberfläche verführen lassen, darf sich an der Ästhetik der gestalteten Bilder satt sehen – und wird gerade dadurch erkennen, was auf dem Spiel steht.

Wovon wir leben
Flugbilder von Georg Gerster
15. März bis 26. Mai 2013