Willi Baumeister und Paul Klee. Struktur und Vision

Trotz ihres Altersunterschiedes von nur zehn Jahren scheinen Paul Klee (1879-1940) und Willi Baumeister (1889-1955) zwei Generationen anzugehören. Während Klee der frühen Avantgarde des 20. Jahrhunderts zugeordnet wird, sieht man Baumeister vor allem im Zusammenhang mit dem Neubeginn der Moderne in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Er gilt als Integrationsfigur, die den Anschluss an die während des Faschismus in Deutschland verfemte Moderne wiederhergestellt hat.

Dieser divergierende Blick lässt vergessen, dass der Schaffensprozess beider Maler dem gleichen Prinzip folgt und sie zu "Verwandten" im künstlerischen Geist macht, wie schon Will Grohmann, der wichtige Exeget beider Künstler hervorhob: "Das Handwerk war für Willi Baumeister keine Angelegenheit am Rande, es gehörte in den inneren Kreis seines Handelns, und viele Bilder sind bei ihm, wie bei Paul Klee aus handwerklich-technischen Einfällen entstanden. Und wie bei diesem trat während der Arbeit die Imago des Entwurfes aus dem Umgang mit den ausgewählten Mitteln wie von selbst heraus."

Darüber hinaus verlief der Weg Baumeisters und Klees oft parallel: Beide setzten sich mit der gesellschaftlichen Relevanz von Kunst, mit der Frage der Abstraktion, mit Konstruktivismus und Surrealismus auseinander. Beide schufen ein Spätwerk, das die gleichen Fragen berührte und verwandte technische Mittel zu deren Ausdruck entwickelte. Den Tod Paul Klees am 29. Juni 1940 kommentierte Willi Baumeister mit den Worten: "Ein außerordentlicher Mensch und hervorragender Maler … Der beste Maler seiner Generation in Deutschland und darüber hinaus."

Schon früh hatte Baumeister die Bedeutung Klees generell und für das eigene Schaffen erkannt. Ausgangspunkt für den Dialog zwischen Paul Klee und Willi Baumeister ist das Engagement Baumeisters für die Berufung Paul Klees an die Kunstakademie in Stuttgart. Paul Klee sollte 1919 die Nachfolge Adolf Hölzels, dessen Kompositionsklasse Baumeister seit 1910 angehörte, antreten. Dieser Plan scheiterte, aber der künstlerische Dialog zwischen den beiden Malern nahm damals seinen Anfang.

Die Ausstellung verfolgt den Weg der beiden Künstler parallel und hebt wichtige Berührungspunkte durch Gegenüberstellung prägnanter Werke hervor. Dabei geht sie von den bedeutenden, sowohl für Klee als auch für Baumeister repräsentativen Beständen des Franz Marc Museums aus. Sie werden ergänzt durch wichtige Leihgaben aus Privatbesitz und aus dem Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart. So war es möglich, einzelne, für die Fragestellung charakteristische Werkgruppen Baumeisters hervorzuheben, wie etwa seine poetischen und außergewöhnlichen "Montaru"-Collagen aus den 50er Jahren, Arbeiten auf Papier, die die Vielschichtigkeit dieses Themas bei Baumeister zeigen.

Paul Klees Spätwerk offenbart seine besondere Innovationskraft und Experimentierfreudigkeit gerade im Vergleich mit Werken Baumeisters. Durch Leihgaben aus Privatbesitz konnte auch diesen Aspekt des Dialogs der Künstler eindrucksvoll dargestellt werden. In den Katalogtexten der Klee-Spezialistin Christine Hopfengart und der Mitarbeiterin des Archivs Baumeister, Hadwig Goetz, werden sowohl der biographische als auch der künstlerische Aspekt der vielfältigen Beziehungen zwischen Baumeister und Klee beleuchtet, so dass im Katalog die Fragestellung der Ausstellung auf anderer Ebene wieder aufgenommen und ergänzt wird.


Willi Baumeister und Paul Klee. Struktur und Vision
4. Oktober 2015 bis 10. Januar 2016