Von Nilpferden und anderen Menschen

Die erste umfassende Retrospektive zu Friedrich Seidenstücker präsentiert über 200 Originalfotografien in der Berlinischen Galerie, dem Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur. Beinahe jeder Berliner kennt seine Fotografien. Diejenigen, die sich für die Geschichte ihrer Stadt interessieren, schätzen Seidenstückers atmosphärische Aufnahmen vom Berliner Alltagsleben der Weimarer Republik.

Unter den Tier- und Zooliebhabern erwarb er sich mit seinen einfühlsamen Tierstudien einen geradezu legendären Ruf, und für die Historiker sind seine eindringlichen Aufnahmen des zerstörten Berlin eine kostbare Quelle.

Auch wenn Seidenstücker als typischer Berliner Fotograf gilt, ist er doch auch weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich um eines ganz besonders verdient gemacht hat: Seine Bilder zeugen von Humor, und den findet man in der Fotografie selten. Aus dieser Haltung heraus hat sich das Werk von Friedrich Seidenstücker entwickelt. Es ist von Optimismus getragen, ohne die Zumutungen und Härten, ohne die Armut und das Elend der Zeit zu verschweigen.

Seidenstücker konzentrierte sich auf das Alltagsgebaren der kleinen Leute, welches er mit sensiblem Blick so in Szene setzte, dass dahinter Charakteristisches der menschlichen Natur sichtbar wird. Während sein beinahe zoologisches Interesse für die Tierwelt dazu führte, dass er seine Fotografie im Zoo mit methodischer Gründlichkeit anging, kann man davon ausgehen, dass seine Straßenfotografie eher zufällig nach dem Lustprinzip entstand. Ähnlich scheint es mit den Landschafts- und Aktaufnahmen gewesen zu sein.

Neben einer kleinen Gruppe von späten Aktfotografien, die als Farbdiapositive vorlagen, gliedert sich die Ausstellung in vier weitere Kapitel: Straßenfotografie, Tierfotografie, Landschaftsfotografie und Berlin nach 1945. Alle 226 ausgestellten Aufnahmen sind Vintage Prints bis auf 21 Neuprints. Mit der Retrospektive setzt die Berlinische Galerie ihre erfolgreiche Ausstellungsreihe fort, die ausgehend von den Beständen der Sammlung das Werk von großen Fotografen des Zwanzigsten Jahrhunderts wissenschaftlich erschließt und einem breiten Publikum zugänglich macht. Vorausgegangen sind Ausstellungen zu Heinrich Zille, Erich Salomon, Fritz Kühn und Herbert Tobias.

Eine Ausstellung der Berlinischen Galerie in Zusammenarbeit mit der bpk - Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte und der Stiftung Stadtmuseum Berlin ermöglicht.

Von Nilpferden und anderen Menschen
Friedrich Seidenstücker - Fotografien 1925-1958
1. Oktober 2011 bis 6. Februar 2012