Viennale 2016: Festivalhits, neues österreichisches Kino und Specials

Mit 139 Kurz- und Langfilmen bietet die 54. Viennale vom 20.10. bis 2.11. wieder Kino im Überfluss. Oscaranwärter und Festivalhits sind die Sahnehäubchen, aber auch neue Arbeiten von Außenseitern werden vorgestellt. Neue österreichische Filme werden als Vorpremieren vor dem regulären Kinostart präsentiert und in Specials und einer Retrospektive wird die Filmgeschichte gepflegt. – Der Kartenvorverkauf beginnt am Samstag, den 15.10.

Wie gewohnt hochkarätig präsentiert sich das Programm der Viennale. Ein erlesenes Programm haben Festivalleiter Hans Hurch und sein Team wieder zusammengestellt. Eröffnet wird das zweiwöchige Festival mit Kenneth Lonergans "Manchester by the Sea", der seit seiner Premiere beim Sundance Festival im Jänner als Oscar-Anwärter für 2017 gehandelt wird. Lonergan, der in den letzten 16 Jahren nur drei Filme drehen konnte, wird auch durch einen Tribute geehrt, in dessen Rahmen seine beiden anderen Filme "You Can Count On Me" (2000) und "Margaret" (2011) gezeigt werden.

Nicht weniger glanzvoll wie die Eröffnung ist der Abschluss mit Damien Chazelles in Venedig gefeiertem Musical "La La Land", dem ebenfalls große Chancen bei der nächsten Oscar-Verleihung zugetraut werden. Auch von diesen Eckpunkten abgesehen fährt die Viennale bei den großen Abendveranstaltungen im Gartenbaukino Einiges auf.

Der Bogen spannt sich von Jim Jarmuschs "Paterson" über Paul Verhoevens in Cannes viel beachteten Thriller "Elle" und Kelly Reichardts "Certain Women" bis zu "La fille inconnue" der Dardenne Brüder und Denis Villeneuves Science-Fiction-Film "Arrival".

Seine Österreich-Premiere feiert im Rahmen der Viennale auch Ken Loachs Cannes-Siegerfilm "I, Daniel Blake" oder Mia Hansen-Løves großartiger "L´avenir – Alles was kommt". Während dieses Frauenporträt und Loachs Sozialdrama wenig später regulär in die Kinos kommen, wird Lav Diaz" in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneter "The Woman Who Left" trotz der für diesen Regisseur kurzen 226 Minuten wohl kaum einen Verleiher finden, ganz zu schweigen von seinem achtstündigen "A Lullaby to the Sorrowful Mystery", der ebenfalls gezeigt wird.

Auch die neuen Filme der Rumänen Cristian Mungiu ("Bacalaureat") und Cristi Puiu ("Sieranevada") sowie des Braslianers Kleber Mendonça Filho ("Aquarius") wird man trotz sehr guter Aufnahme beim Festival von Cannes in Österreich vielleicht nur auf der Viennale sehen. Whit Stillmans hochgelobter "Love and Friendship" und Ashgar Farhadis "Death of a Salesman"-Variation "Forushande - The Salesman" dagegen haben schon Verleiher und Starttermin.

Hans Hurch pflegt eben nicht nur die großen Namen, die ein breiteres Publikum ansprechen, sondern auch sperrige Außenseiter. Neben Diaz gehört hier sicher auch Alberto Serra dazu, der "La mort de Louis XIV" vorstellt, der Koreaner Hong Sang-Soo mit "Dangsinjasingwa dangsinui geot" oder der Brite Terence Davies, der persönlich nach Wien kommen wird und von dem neben seinem neuen Emily Dickinson-Biopic "A Quiet Passion" auch seine Terrence Rattigan-Adaption "The Deep Blue Sea" gezeigt wird.

Viel Raum für Entdeckungen gibt es hier mit (noch) unbekannten Regisseuren, auch Weltpremieren wie die neuer Filme des Argentiniers Raul Perrone ("Cump4rsit4") oder von Ken Jacobs "Reichstag 9/11" oder Oscar Pérez" "El millor opció" fehlen hier nicht.

Einiges geboten wird auch im Bereich des Dokumentarfilm. Die Bandbreite spannt sich hier von Noah Baumbachs und Jake Paltrows Porträt des Regisseurs Brian De Palma ("De Palma") über Jim Jarmuschs Nachzeichnung des Werdegang der Band Stooges ("Gimme Dancer) bis zu Sergei Loznitsas Reflexion über den Tourismus zu KZ-Gedenkstätten in "Austerlitz". Eine Doku über den US-Politiker Anthony Weiner ("Weiner", Josh Kriegman/Elyse Steinberg) fehlt hier ebenso wenig, wie mit "Landstücke" eine weitere Erkundung ostdeutscher Landschaft und Geschichte durch Volker Koepp.

Porträts zahlreicher bekannter Persönlichkeiten wie Peter Handke, der verstorbenen Filmregisseure Mike Nichols und Manoel de Oliveira oder der Schauspiellegende Marlon Brando finden sich ebenso im Programme wie Blicke auf das alltägliche Leben in einem Schlachthaus in Algier ("Fi rassi Rond-Point" von Hassen Ferhani) oder Menschen in den Bergen von Myanmar ("Fei cui zhi cheng" von Midi Z).

Die Viennale ist aber immer auch eine Plattform des österreichischen Kinos. Nikolaus Geyrhalters dialogloser Dokumentarfilm "Homo Sapiens" steht ebenso auf dem Programm wie Tizza Covis und Rainer Frimmels wunderbar unaufgeregter "Mister Universo", Händl Klaus´ "Kater" oder Valentin Hitz" vor kurzem beim Zurich Film Festival ausgezeichneter Science-Fiction-Film "Stille Reserven".

Auch hier fehlen mit den Dokumentarfilmen "Auf Ediths Spuren", in dem Peter Stephan Jungk dem Leben der Kommunistin, Montessori-Kindergärtnerin und KGB-Agentin Edith Tudor-Hart nachspürt, und "Sühnhaus", in dem die Filmkritikerin Maya McKechneay die Geschichte eines Grundstücks an der Wiener Ringstraße nachzeichnet, Weltpremieren nicht.

Dazu kommen wie gewohnt Tributes und eine große Retrospektive, die in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Filmmuseum organisiert wird. Neben Kenneth Lonergan wird nicht nur der Schauspieler Christopher Walken mit einem Tribute – und einer Auswahl seiner Filme – geehrt, sondern auch der im Juni verstorbene US-Experimentalfilmer Peter Hutton.

In einem Spezialprogramm werden kubanische Wochenschauen der 1960er Jahre gezeigt und das Filmarchiv Austria erinnert mit einer Retrospektive an den Filmemigranten Robert Land. Aber auch an den Anfang dieses Jahres verstorbenen Jacques Rivette erinnert die Viennale mit einem kleinen Programm sowie an die Verbindungen zwischen der englischen Band "The Kinks" und dem Kino.

Die große Retrospektive schließlich spürt unter dem Titel "Ein zweites Leben" im Österreichischen Filmmuseum anhand zahlreicher Filme dem Verhältnis von Erstverfilmung und Remake, aber auch den Variationen eines Stoffes nach. Dazu kommen als Rahmenprogramm Ausstellungen und Lesungen sowie Konzert unter anderem mit Patti Smith und der Regielegende John Carpenter.

Trailer zur Viennale 2016