Viennale 2014: Routiniers, Newcomer und radikale Außenseiter

Mit rund 150 langen Spiel und Dokumentarfilmen bietet die 52. Viennale vom 23.10. bis 6.11. wieder ein dichtes Programm. Neue Filme von Größen wie Godard, Allen, Assayas, Iñárritu oder den Dardennes stehen neben Werken (noch) unbekannter Regisseure, mehreren Tributes und einer großen Retrospektive des Werkes von John Ford. – Der Kartenvoverkauf beginnt am Samstag, den 18.10.

Eröffnet wird das Festival mit Jessica Hausners "Amour Fou". Nach ihrem beeindruckenden "Lourdes" hat sich die Österreicherin der Vergangenheit und einer wahren Begebenheit zugewandt und erzählt vom Doppelselbstmord Heinrich von Kleists und seiner Freundin Henriette Vogel im Jahre 1811.

Beendet wird Österreichs größtes Filmfestival zwei Wochen später mi einem Film, der beim heurigen Festival von Cannes für Aufsehen sorgte und die Kritiker begeisterte: "Turist" des Schweden Ruben Östlund spielt in einem Wintersportort, in dem familiäre Beziehungen durch den Abgang einer Lawine erschüttert werden.

Eine pechschwarze Komödie mit einem grandiosen Brendan Gleeson in der Hauptrolle steht mit "Calvary" auf dem Programm. Im Nachfolgefilm zu "The Guard" erzählt John Michael McDonagh von einem gütigen Priester, dem ein einst von einem Geistlichen missbrauchter Mann im Beichtstuhl seine Ermordung ankündigt.

Einen scharfen Blick auf soziale Realitäten darf man von "Deux jours, une nuit" der Brüder Dardenne erwartet, während Woody Allen in seinem in den 1920er Jahren an der Côte d´Azur spielenden "Magic in the Moonlight" Übersinnliches und Magisches hereinbrechen lässt.

Gespannt sein darf man auf das 3D-Experiment, das Altmeister Jean-Luc Godard mit "Adieu au langage" vorlegt. Souverän von Leben und Film – und den Querverbindungen – erzählt dagegen Olivier Assayas in "Clouds of Sils Maria" und Abel Ferrara arbeitet in "Pasolini" den letzten Lebenstag des unter bis heute ungeklärten Umständen am 2. November 1975 ermordeten italienischen Regisseurs auf.

Alejandro González Iñárritus in Venedig gefeierte Komödie "Birdman" kann man bei der Viennale ebenso sehen wie Nure Bilge Ceylans Cannes-Sieger "Winter Sleep" oder Tommy Lee Jones´ Western "The Homesman". Während diese und zahlreiche weitere Spielfilme freilich in den kommenden Monaten in die Kinos kommen werden, so kann man bei diesem Publikumsfestival, das weniger Wert auf Weltpremieren legt als vielmehr die Filmkunst feiern will, auch zahlreiche Werke entdecken, die nach dem Festival bedauerlicherweise vielleicht wieder in der Versenkung verschwinden werden.

Das trifft nicht nur auf mehrere sperrige Filme zu, für die Festivaldirektor Hans Hurch ein Faible hat und die er zahlreich im Wettbewerb von Locarno gefunden hat wie Pedro Costas "Cavalo Dineiro", Martin Rejtmans "Dos Disparos", Matías Piñeiros "La princesa de Francia" oder Lav Diaz´ fünfeinhalbstündigen "Mula sa kung ano ang noon - From What Is Before" , sondern auch auf zugänglichere Filme, aber kleine Filme ohne Stars.

Der Ire Lenny Abrahamson, dessen neuen Film "Frank" es zu entdecken gilt, gehört ebenso dazu wie Peter Strickland, der nach seiner großartigen Giallo-Hommage "Berberian Sound Studio" "The Duke of Burgundy" zeigt, oder Ana Lily Amirpours "A Girl Walks Home Alone At Night", der als erster iranischer Vampir-Western und hybride Mischung aus Sergio Leone, David Lynch und alten Comic-Heften angekündigt wird.

Aber auch neue Filme von großen Regisseuren wie dem Russen Andrey Zvyagintsev ("Leviathan") und der Japanerin Naomi Kawase ("Still the Water"), die in Cannes teilweise begeistert aufgenommen wurden, oder das neue Werk des Schnellfilmers Takashi Miike ("Kuime") sowie der letzte Film des im Februar 2013 verstorbenen Aleksej German ("Hard to Be a God") wird man wohl nur im Rahmen von Festivals wie der Viennale auf einer großen Kinoleinwand sehen können.

Hochkarätig ist aber nicht nur das Spielfilm-, sondern auch das Dokumentarfilmprogramm. Iain Forsyth und Jane Pollard zeichnen in "20.000 Days on Earth" ein Porträt des schillernden Musikers Nick Cave, während Heinz Emigholz in "The Airstrip" zu einer Streifzug durch die Architektur von Großstädten von Paris bis Rom und von Berlin bis Montevideo einlädt.

Der große Frederick Wiseman dokumentiert dagegen in seiner unnachahmlichen Direct-Cinema-Methode im dreistündigen "National Gallery" das berühmte Londoner Museum, während Viennale-Stammgast James Benning in "Natural History" in den Keller des Naturhistorischen Museums in Wien steigt.

"Winter´s Bone"-Regisseurin Debra Granik porträtiert in "Stray Dogs" einen politisch aktiven Vietnamveteranen, der in einem Trailerpark lebt, und der deutsche Filmjournalist Rüdiger Suchsland beschäftigt sich in seinem Debüt "Von Caligari bis Hitler" mit dem Film der Weimarer Republik.

Die aktuellen Filme werden aber auch durch Tributes und Schwerpunkte ergänzt. Mit mehreren Filmen wird an den im Juli verstorbenen Harun Farocki erinnert, ein Tribute ist Viggo Mortensen gewidmet, in dessen Rahmen neben anderen Filmen auch Lisandro Alonsos Emigranten-Epos "Jauja" gezeigt wird.

Ein Schwerpunkt ist dem algerischen Fotografen und Filmemacher Tariq Teguia gewidmet, der als wichtiger Chronist des "arabischen Frühlings" gilt, und an den deutschen Filmregisseur Fritz Kortner wird ebenso erinnert wie an den 16mm-Film.

Ästhetisch avanciertes Kino wird unter dem Titel "Broken Sequences" am Beispiel des Afroamerikaners Kevin Jerome Everson, der Amerikanerin Deborah Stratman und der österreichischen Medienkünstlerin Dorit Margreiter vorgestellt, während im Filmmuseum mit einer John Ford-Retrospektive das klassische Kino gewürdigt wird.

An Highlights wird es somit nicht mangeln und statt nach Sehenswertem suchen zu müssen, wird man die Qual der Wahl haben und auf das eine oder andere Prunkstück aufgrund von Terminkollisionen verzichten müssen.

Trailer von Manoel de Oliveira zur Viennale 2014