Topografie des Anonymen

Joachim Brohm gehört mit seinen Langzeitbeobachtungen von Industriebrachen und urbanen Randgebieten zu einem der stilprägendsten Fotokünstler in Deutschland. Sein fotografisches Bildkonzept entwickelte sich aus der Beschäftigung mit der amerikanischen Fotografie der späten 1960er Jahre, die u. a. von Stephen Shore und William Eggleston im Bereich der dokumen­tarischen Alltagsfotografie neue Impulse erhielt. Hierzu zählt beispielsweise der Einsatz des Farbfilms, der zuvor ausschließlich in der Werbung Verwendung gefunden hatte.

oachim Brohm zählt zu jenen "Pionieren", die diese neuen Impulse aufnahmen und in einen europäischen Kontext übersetzten. Der 1955 in Dülken / Nieder­rhein geborene Joachim Brohm arbeitet seit Ende der 1970er Jahre in weitläufig angelegten Fotoserien, denen eine dokumentarische Bildsprache zugrunde liegt und in denen stets eine besondere Farbigkeit sowie eine grundsätzliche Ruhe des Blicks vorherrscht. Der Fotokünstler widmet sich vor allem Arealen, die an der städtischen Peripherie zu finden sind, und ihrem Wandel im Zuge einer urbanen Umnutzung. Solche Gebiete suchte und sucht der Fotograf immer wieder auf: Über Jahre hinweg hält er Veränderungen der meist indifferenten Orte mit wohltuender Nüchternheit fest, ohne das Individuelle zu untergraben oder das Bild als Ereignis aus den Augen zu verlieren. Unter Vermeidung einer intimen Perspektive entstehen wie beiläufig komponierte Motive, die sich zugleich als Träger sozialer Bedeutung entpuppen.

Die Kunsthalle Mainz widmet Joachim Brohm eine umfassende Werkschau, die die Serien Ruhr und Ohio aus den 1980er Jahren zeigt sowie die über einen Zeitraum von elf Jahren entstandene Serie Areal (1992 – 2002). Darüber hinaus ist erstmals in Gänze den 2008/2009 entstandenen Fotografie-Zyklus Culatra über eine dünn besiedelte, autofreie Insel vor der portugiesischen Algarve-Küste zu sehen. In dieser Topografie des Anonymen liegt der Fokus verschärft auf den Ablagerungen der Zivilisation und einer Lebenslandschaft einschließlich ihrer Architektur, wie sie sich an vergessenen Randzonen entwickeln.

Joachim Brohm. Fotografie
27. November 09 bis 21. Februar 10