Mit ihrem hochpoetischen, eigenständigen Stil etablierte sich Felice Rix-Ueno als eine der bemerkenswertesten Künstler:innen der Wiener Werkstätte. Sie schuf Hunderte Entwurfszeichnungen für die Wiener Werkstätte, vor allem für Stoffmuster, aber auch für Tapeten, Stickereien, Emailarbeiten, Mode- und Wohnaccessoires, Spielzeug und Gebrauchsgrafik. In ihrer zweiten Heimat Japan reüssierte sie als Universitätsprofessorin und Gründerin eines eigenen Designinstituts. Dieser einzigartigen Gestalterin, deren Geburtstag sich heuer zum 130. Mal jährt, widmet das MAK die erste Personale außerhalb Japans mit rund 200 Objekten einen breiten Querschnitt durch ihr Œuvre.
Geboren wurde „Lizzi“, wie sie sich nannte, am 1. Juni 1893 in Wien. Ihre aus Ungarn stammende Großmutter, Wilhelmine Rix, vertrieb das prominente Schönheitsmittel „Pasta Pompadour“. Ihr Vater, Julius Rix, war vielseitiger Unternehmer, bis er als Filialleiter bzw. Geschäftsführer für die 1903 gegründete Wiener Werkstätte tätig wurde. Mit drei jüngeren Schwestern wuchs Felice Rix in einem großbürgerlichen, jüdisch-liberalen Umfeld auf, wo kreatives Unternehmertum und Kunstschaffen aufeinandertrafen. Nach einem Jahr an der privaten Malschule Streblow besuchte sie die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, um dann an die Kunstgewerbeschule zu wechseln. Um 1914 entwarf Rix ihre ersten Arbeiten für die berühmte Wiener Werkstätte. Sie studierte zu dieser Zeit bei Josef Hoffmann, der die Wiener Werkstätte gemeinsam mit Koloman Moser und Fritz Waerndorfer gegründet hatte und seine Schüler:innen vielfach zur Mitarbeit einlud. Inspiriert von der japanischen Formensprache, die etwa anhand von Färberschablonen (Katagami) in der Kunstgewerbeschule vermittelt wurde, bildete Rix ihren unverwechselbaren Stil aus.
Bis zur Auflösung der Wiener Werkstätte 1932 war sie eine ihrer wesentlichen Gestalter:innen. Im Zuge der Einrichtung einer Wiener-Werkstätte-Filiale auf der Kärntner Straße 1918 beschäftigte sie sich erstmals mit dem Thema Wandmalerei. Auf diesem Gebiet sollte sie bis zuletzt herausragende Gestaltungen schaffen. Zunächst jedoch entwickelte die Künstlerin ein umfassendes Repertoire an Stoffmustern. Die sowohl geometrischen wie floralen Motive zeichnen sich durch einen besonders feinen Strich und subtile Farbkombinationen aus. Anregungen waren hier die erwähnten Katagami, aber auch Stoffmuster aus der Wiener Biedermeierzeit. Die Affinität zu Japan zeigt sich auch in der Bezeichnung der Wiener-Werkstätte-Stoffe, die zur besseren Unterscheidung Namen trugen: Sie hießen zum Beispiel "Japanland" oder "Tokio" und entstanden unter dem Eindruck des Großen Kanto-Erdbebens von 1923.
Im Jahr 1925 heiratete Rix den japanischen Architekten Isaburo Ueno, der als Assistent bei Josef Hoffmann tätig war, und übersiedelte mit ihm nach Kyoto. Sie kehrte regelmäßig nach Wien zurück, um weiterhin für die Wiener Werkstätte zu entwerfen. So entstand 1928 eine fantastische Tapetenkollektion mit vier Mustern in etlichen, teils ungewöhnlichen Farbstellungen. Die Tapeten werden derzeit von der japanischen Firma Linden wieder aufgelegt und mithilfe einer 150 Jahre alten Druckmaschine in England produziert.
In Japan arbeitete Rix-Ueno vielfach mit ihrem Mann zusammen: Er entwarf die Gebäude, sie gestaltete das Interieur. Ein erstes Projekt war die extravagante Star Bar in Kyoto, die sie mit Wand- und Deckenmalereien ausstattete. Die Bar wurde – allerdings nur unter Isaburo Uenos Namen – 1932 auf der berühmten Ausstellung "Modern Architecture" im New Yorker MoMA vorgestellt. 1936 zog das Paar nach Takasaki, um gemeinsam mit dem deutschen Architekten Bruno Taut das dortige Kunstgewerbe wiederzubeleben. Das Jahr 1939 verbrachten sie in der Mandschurei, wo sich Rix-Ueno mit dem Medium der Bildrolle beschäftigte. Danach hielt sie sich für zehn Monate in San Francisco auf und traf dort auf ihre ehemalige Wiener-Werkstätte-Kollegin, die Keramikerin Susi Singer.
Zurück in Japan war Rix-Ueno als technische Beraterin am Textilforschungsinstitut in Kyoto beschäftigt und entwarf Stoffmuster für den Japanischen Textildesignerverband sowie Emailarbeiten in der beliebten CloisonnéTechnik. Schließlich wurde sie an die Städtische Kunsthochschule Kyoto berufen, um die Klasse „Farbe und Komposition“ zu leiten. Nach ihrer Pensionierung als Professorin 1963 gründete sie gemeinsam mit Isaburo Ueno das Internationale Design-Institut, wo sie weiter unterrichtete. Im selben Jahr entstand das wichtigste Spätwerk der Künstlerin, die malerische Gestaltung des Restaurants Actress im Tokyoter Nissay-Theater.
Auf Einladung des Architekten Togo Murano schuf sie ein buchstäblich glänzendes Ambiente: einen mit Alufolie ausgekleideten Raum als Hintergrund für ihre poetischen Blüten- und Pflanzenkompositionen. Die Wandmalereien des ehemaligen Restaurants konnten zum Teil konserviert werden und befinden sich im University Art Museum in Kyoto, während der Nachlass des Ehepaares Rix-Ueno im dortigen Museum of Modern Art verwahrt wird.
In die Ausstellung fließen auch Werke von Rix-Uenos jüngster Schwester Kitty Rix (1901–?) ein. Sie zählte ebenfalls zu den Künstler:innen der Wiener Werkstätte und entwarf als Keramikerin Gebrauchsgegenstände wie Vasen, Lampenfüße, Buchstützen oder Kakteenständer. Neueste Forschungsergebnisse vertiefen zusätzlich die Geschichte der jüdischen Unternehmer:innen- und Künstler:innen-Familie Rix, die vor allem eine der Emigration ist: Die Schwestern verschlug es vor oder im Zuge der Verfolgung von Juden:Jüdinnen in alle Welt, neben Japan auch nach Israel, Südamerika und Australien.
Felice Rix-Uenos unverkennbarer Stil ist nachhaltig faszinierend. Albert Kriemler, Chefdesigner des Schweizer Modehauses Akris, der bekannt ist für seine Leidenschaft für Kunst und seine Kooperationen mit außergewöhnlichen Künstler:innen, war bei einem Besuch im MAK im Frühjahr 2023 von Felice Rix-Uenos Stoffmustern so begeistert, dass er beschloss, sich für die Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2024 von ihren Entwürfen inspirieren zu lassen.
Sterne, Federn, Quasten
Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno (1893–1967)
Bis 21. April 2024
Kuratorin: Anne-Katrin Rossberg, Kustodin MAK Sammlung Metall und Wiener Werkstätte Archiv