Maude Léonard-Contant hat den Publikationspreis der Stadt Luzern "spot on" erhalten. Diese Auszeichnung ermöglicht nebst einer Monografie auch eine Ausstellung im Kunstmuseum Luzern. Die Künstlerin greift diesen Zusammenhang in der Ausstellung auf, indem sie unter dem Aspekt "mise sous presse" (Drucklegung) Stimmverlust, Zurückhalten und Fixieren thematisiert.
Die Sprache ist ein wichtiges Arbeitsmaterial der Künstlerin. Ihre Muttersprache ist Französisch, studiert hat sie auf Englisch und seit sie in der Schweiz lebt, setzt sie sich mit Deutsch und Schweizerdeutsch auseinander. In ihrer Arbeit nutzt sie dabei ebenso die Gestalt von Buchstaben und Worten wie inhaltliche Aspekte sowie Verschiebungen und Lücken, die sich zwischen verschiedenen Sprachen öffnen können.
Für die Ausstellung verwebt Maude Léonard-Contant Sprache und taktile Materialien und reflektiert kulturelle Zugehörigkeit sowie pflanzliches Wissen. Seide, Leder und Pflanzen werden unter starken Druck geformt und verändert: Das Leder wird in Holzformen eingespannt, die Pflanzen zwischen den Seiten dicker Wörterbücher gepresst und die Seide in Falten gelegt. Dabei werden althergebrachte handwerkliche Techniken und überliefertes Wissen eingesetzt.
Maude Léonard-Contant lässt schwarze Seide vom Meisterplissierer Karen Grigorian nach ihren Vorlagen formen. Die zickzackartigen Faltenmuster werden so zu Schatullen für die getrockneten Pflanzenteile. Die Auswahl der Pflanzen erfolgt aufgrund deren medizinischen Qualitäten sowie der Biografie der Künstlerin. Die Blumen, Blätter und Wurzeln sammelt die Künstlerin in der Region Basel und im Puschlav, ihrem aktuellen Wohnort und dem Heimatort ihres Partners. Von ihrer Mutter kommen Kräuter aus den Sankt-Lorenz-Niederungen in Québec hinzu. Die Mutter von Maude Léonard-Contant sammelt und baut Heilpflanzen an. Das Veilchen, aus dem sie einen Sirup herstellte, um die Stimmausfälle der Tochter zu lindern, wird zum Symbol der Ausstellung. Sprache und Pflanzenwelt stehen für Maude Léonard-Contant für Heimat und das Gefühl von Zughörigkeit. Das gilt einerseits für die Verbundenheit mit der Herkunft, andererseits ermöglichen das Erlernen einer Sprache und das Kennenlernen einer Flora auch die Aneignung der Kultur einer neuen Heimat.
Das Leder wird mit traditionellen Verfahren aus der Möbelherstellung zu mehreren identischen Objekten geformt. Wie eine Pflanze oder ein Virus scheinen sich diese Lederskulpturen vervielfältigt zu haben. Sie setzen als dunkle Punkte Akzente und funktionieren im Zusammenspiel mit den Seidenstoffen als konstruktive Elemente. Die Lederobjekte stehen für das Verschlossene, Stumme und erinnern je nach Blickwinkel an eine Faust, einen Boxhandschuh oder an eine geschlossene Muschel, insbesondere, wenn ein Stück Seidenstoff wie Haltefäden oder Schaum von ihnen wegführt. Man könnte aber auch an eine Bombe mit Zündschnur aus einem alten Cartoon oder an die gerunzelte Stirn von Philipp Gustons Figuren denken. Als Bildhauerin interessiert sich Maude Léonard-Contant dafür, eine Skulptur zu schaffen, die aus verschiedenen Blickwinkeln interessant ist und je nach Ansicht und Kontext anders wirkt.
Spot on Maude Léonard-Contant
Kuratiert von Eveline Suter
10. Juni bis 17. September 2023