Porträts als Visitenkarte

"Künstler-Ich", so lautet das diesjährige Themenjahr des Arp Museums Bahnhof Rolandseck. Mit den derzeit laufenden Ausstellungen zu den Hauspatronen Hans Arp und Sophie Taueber-Arp sowie der retrospektiven Schau des Kölner Künstlers C.O. Paeffgen und der Ausstellung von Caro Bittermann und Peter Duka nähert sich das Arp Museum dem Jahresthema monografisch und exemplarisch an: der ausstellende Künstler steht im Vordergrund. Aber wie spiegelt sich das "Künstler-Ich" in einer Porträtausstellung wider?

Antwort geben Künstlerselbstbildnisse aus der Zeit vom frühen 18. bis zum 20. Jahrhundert der "Sammlung Rau für UNICEF". Sie machen die Auseinandersetzung des Künstlers mit seiner eigenen Persönlichkeit zum Thema. Denn das Porträt soll das Wesen des Dargestellten "hervorziehen", wie es der lateinische Terminus "protrahere" verspricht, von dem sich unser Porträtbegriff ableitet.

Ein faszinierendes Beispiel finden wir im Selbstporträt des flämischen Malers Jacques-François Delyen. Als dieser sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts vor seiner Staffelei ins Bild setzte und in den Spiegel schaute, stellte er sich aber nicht nur die Frage "Wer bin ich?", sondern auch "Wie will ich gesehen werden?". Selbstporträts waren also neben der Darstellung des eigenen Wesens eine Visitenkarte für jeden Künstler. Man benutzte sie für Bewerbungen an der Kunstakademie oder um finanzstarke Auftraggeber und Käufer zu gewinnen. Zudem gewährten die Maler in den Bildnissen häufig Einblicke in ihr Atelier oder stellten ihren sozialen Status zur Schau. So lassen sich die Selbstbildnisse auch als eine Frühform des Eigenmarketings verstehen.

Anhand von 50 einzigartigen Exponaten wird die Entwicklungsgeschichte der Kunstgattung des Porträts vom frühen 15. Jahrhundert bis zum Jahr 2000 dargestellt. 36 Gemälde und Zeichnungen sowie sieben Skulpturen stammen dabei aus der "Sammlung Rau für UNICEF", sieben ausgewählte Werke aus der zeitgenössischen Sammlung des Arp Museums Bahnhof Rolandseck kommen ergänzend hinzu.

Die Ausstellung erforscht in zwei großen Themenbereichen einerseits die Lebens- und Arbeitswelten der Künstler und andererseits die der Auftraggeber in ihren unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen. So lernt man bei Tiepolo, Renoir, Modersohn-Becker und van Dongen die Porträtmaler im Kreise ihrer Familie, Freunde sowie Lieblingsmodelle kennen und gewinnt intime Einblicke in das Leben der Künstler. Und Aug’ in Aug’ steht man auch mit den Auftraggebern der Bildnisse in ihren unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen: dem religiösen Stifter des Spätmittelalters, dem Kunstsammlerpaar der Renaissance, dem englischen Gentleman des Barock oder der adeligen Großfamilie des ausklingenden 18. Jahrhunderts.

Maler wie Cranach, Lely oder Stuck, Bildhauer wie Houdon oder Rysbrack verliehen ihrem Bildnis ewige Dauer. Mal herrschaftlich im Gewand römischer Senatoren, verführerisch in raschelnder Seide oder ganz privat im Arm der Mutter blicken sie den Betrachter unvermittelt an. Zahlreiche Textzitate ergänzen die Ausstellungspräsentation und bringen die Dargestellten gewissermaßen zum "Sprechen". Die Besucherinnen und Besucher können so die spannenden Geschichten hinter den Bildern entschlüsseln. Die Porträts sind ein Spiegel, in dem wir unsere eigene Geschichte erschauen, und sie rufen uns zu: "Schau mich an!".

Der Katalog zur Ausstellung erscheint im Kerber Verlag und enthält ein Vorwort von Museumsdirektor Oliver Kornhoff (Hrsg.) sowie Texte von Nicole Birnfeld und der Kuratorin Susanne Blöcker (Verkaufspreis 24,40 Euro, 128 S.).

Schau mich an! Porträts seit 1500
in der Kunstkammer Rau
17. Mai 2013 bis 4. Mai 2014