Poesie der Farbe

Im Dezember 1910 diskutierten die Malerfreunde August Macke und Franz Marc in ihrem Briefwechsel über die ästhetische Bedeutung der Primärfarben und August Macke stellte fest: "3 Farben Blau Gelb Rot. Parallelerscheinung Traurig heiter brutal." Auf die Definition der drei Primärfarben seines Freundes antwortete Franz Marc im selben Monat: "Blau ist das männliche Prinzip, herb und geistig. Gelb das weibliche Prinzip, sanft, heiter und sinnlich. Rot die Materie, brutal und schwer."

Die emotionalen Kategorien, Melancholie – Heiterkeit – Brutalität, sind Anregung für die Ausstellung "Poesie der Farbe", in denen rund 180 Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken der Klassischen Moderne aus dem bedeutenden Bestand der Staatsgalerie Stuttgart präsentiert werden.

"Blau" als Prinzip der Vergeistigung und Abstraktion wird vertreten durch die Künstler des »Blauen Reiter« in München, Franz Marc und Wassily Kandinsky, sowie einige ihrer Freunde wie August Macke, Heinrich Campendonk, Robert Delaunay, Alexej Jawlensky und Emil Nolde. Die Gratwanderung zwischen Beruhigung und Unsicherheit ab den 1920er-Jahren offenbart sich in der Künstlergruppe "Die Blaue Vier". Hier treffen die Bauhaus-Meister Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Paul Klee auf Alexej Jawlensky.

"Rot" als Sinnbild für Brutalität, Aggression und Krieg, vereint Max Beckmann, Otto Dix, George Grosz und Paul Klee, die – jeder auf seine Weise – versuchen, das Unbegreifbare zu verarbeiten.

"Gelb" ist das abschließende Satyrspiel, in dem einige der Künstler noch einmal zusammenkommen – sinnlich, ironisch, bis ins Groteske gehend und damit allen Abgründen und Widrigkeiten mit Hilfe der Kunst trotzend.

Die Chance, Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken verschiedener Künstler aus dem gesamten Bestand zu vereinen, ist einer der großen Glücksfälle, die ein Museum wie die Staatsgalerie Stuttgart bieten kann: Ihr wertvoller Schatz, der das Ergebnis einer rund 200jährigen Sammelleidenschaft von Direktoren und Konservatoren, der sie darin unterstützenden Landesherren und Ministerien sowie parallel zahlreicher privater Sammler mit ihren Stiftungen und Leihgaben ist, bringt immer wieder Überraschungen oder Neuentdeckungen ans Licht, wirft Fragen auf und liefert Antworten. Bereits Bekanntes aus der ständigen Präsentation kombiniert mit Meisterwerken aus den Depots und Magazinen, die allein aus konservatorischen oder simplen Platzgründen selten ans Licht kommen, bieten eine neue Sicht. Viele der Werke waren bereits als gefragte Leihgaben in aller Welt, sind aber noch nie in Stuttgart gezeigt worden.


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Sandstein Verlag, Dresden, mit 240 Seiten, 180 Farbabbildungen, für 39,90 Euro im Museumsshop.

Poesie der Farbe
23. Oktober 2015 bis 14. Februar 2016