Peter Kohl: Zum Beispiel Balthazar

Der 1971 geborene Kärntner Künstler Peter Kohl ist ein Gratwanderer zwischen Comic, Karikatur und Bilderkunst. Den Weg entlang der Grenzlinie zwischen diesen drei Disziplinen gehe er bewusst, betont der Künstler. Beim Malprozess komme es sehr oft vor, dass er zu weit gehe und es zu sehr in das Comichafte gehe. Dann müsse er nachkorrigieren. Es sei eben ein Grenzgang, lässt der in der im Südosten von Klagenfurt gelegenen Gemeinde Ebenthal lebende und arbeitende Maler wissen.

Diesen Grenzgang geht Kohl auch im Rahmen seiner neuen Ausstellung in der Bregenzer Sylvia Janschek Art Gallery. Unter dem Titel Titel „Au hasard Balthazar“ (Zum Beispiel Balthazar) zeigt er eine neue Serie, zu der ihn der gleichnamige schwedisch-französische Spielfilm von Robert Bresson aus dem Jahre 1966 inspiriert hat.

Der Streifen handelt von einem jungen Esel, der von den beiden Kindern Marie und Jacques auf den Namen Balthasar getauft wird. Jahrelang erduldet Balthasar als stumme Kreatur jede Qual. Nach Stationen als Lastesel, Zirkusattraktion und als ein von einem Verbrecher geerbtes Tier, wird er schließlich von Schmugglern aus dem Gefolge Gérards benutzt.
Leid erfährt auch Marie, die sich von ihrem neuen Liebhaber Gérard misshandeln lässt. Marie wird nackt und möglicherweise von Gérards Bande vergewaltigt in einer Hütte liegen gelassen, Balthasar stirbt nach Schüssen von der Grenzpatrouille am Ende inmitten einer Herde von Schafen.

Nach Ansicht des amerikanischen Filmkritikers Roger Joseph Ebert (1942-2013) will Bresson mit dem Film darauf verweisen, dass wir im Grunde genomme alle Balthasars seien. „Trotz unserer Träume, Hoffnungen und Pläne wird die Welt schließlich mit uns so verfahren, wie sie es nun einmal tut. Weil wir denken und schlussfolgern können, glauben wir, wir könnten einen Ausweg, eine Lösung oder eine Antwort finden. Aber Intelligenz verschafft uns zwar die Fähigkeit, unser Schicksal zu begreifen, doch ohne die Macht, es auch zu kontrollieren.“ Aber immerhin lasse uns Bresson wenigstens nicht mit leeren Händen zurück, so Ebert. Er biete uns Mitgefühl als Rat an.

Diese traurige Geschichte rund um den Esel Balthazar stellt Peter Kohl mit seinem aus zwanzig Arbeiten bestehenden Zyklus, der gesamthaft in der Sylvia Janschek Art Gallery präsentiert wird, in einen zeitgenössischen Kontext. Peter Kohl: „Die Nähe dieses Filmes ‚Au hasard Balthazar‘ zu meinen Zugängen diese Welt zu begreifen mit den Mitteln meiner Kunst, hat mich tief berührt. Der Mensch als Wesen dieser Welt, der sowohl das Gute als auch das Böse in sich trägt. Im ständigen Kampf zwischen diesen beiden mächtigen Polen schafften wir Systeme die alles andere als vollkommen sind. Demokratie, Diktatur, Religionen bieten uns Lebensformen die wir leben können, dürfen oder müssen. Dazwischen passiert das Leben das sowohl Freude als auch unendliches Leid produziert.“

Kohl sieht im Esel Balthazar eine Metapher für das stoische Ertragen von Leid. Aber auch die Nähe zum Katholizismus und dass andere optimistische Ausblicke als der Tod nicht möglich seien, so der Künstler. Und genau hier setze er in seiner künstlerischer Auseinandersetzung mit dem Bresson’schen Film an. Und bietet Bresson Mitgefühl als Rat an und Trostfindung, indem man menschliche Erfahrungen teilt, so offeriert der Kärntner Künstler mit der "Flucht in den Stoff" ("Escape into the stuff" lautet denn auch der Titel eines zentralen, großformatigen Werks der Ausstellung) einen schrägen und möglichen positiven Ausblick in seiner Bilderwelt an. So fragt er sich, ob eine Herausnahme aus dem Kreislauf des Leidens durch die Verniedlichung eine Möglichkeit wäre. Kohl: "In meiner Welt begegnet Balthazar dem Leiden als verniedlichter Stoffesel. Er ist nicht mehr direkt betroffen. Ein stiller Beobachter aus Plüsch, am Blumenfeld, zugedeckt, entsteht ein neuer Kontext."

Die Lösungen Peter Kohls zur "Balthazar-Problematik" manifestieren sich wie gewohnt in vielschichtigen, substantiellen Mischtechniken auf Leinwand, teils in sehr großen Formaten.

Peter Kohl: Au Hasard Balthazar
Sylvia Janschek Art Gallery, Bregenz
bis 22.7.
Di-Sa 14–18, u.n.V.
www.janschek.art