Makart. Ein Künstler regiert die Stadt

Der Name Hans Makart steht heute nicht nur für riesige Leinwände in effektvoll koloristischer Malerei, sondern auch für exzessiven Starkult und den Glanz einer ganzen Epoche – die Makart-Zeit. Kaum ein österreichischer Künstler konnte im 19. Jahrhundert eine derart herausgehobene Stellung erlangen wie der "Malerfürst". Dem Phänomen Makart widmen sich zeitgleich ab 9. Juni zwei große Ausstellungen in Wien: Dazu konnte es durch die Kooperation von Wien Museum und Belvedere kommen.

Das Wien Museum zeigt im Künstlerhaus "Makart. Ein Künstler regiert die Stadt", im Unteren Belvedere ist die Schau "Makart. Maler der Sinne" zu sehen. Im Mittelpunkt der vom Historismus-Experten Ralph Gleis kuratierten Ausstellung des Wien Museums stehen die vielfältigen Beziehungen zwischen Künstler, Stadt und Gesellschaft. Wie war es möglich, dass ein Künstler eine derart herausgehobene Stellung erlangte? Die Ausstellung fragt nach den Gründen für Makarts außerordentliche Popularität und versucht diese als europäisches Zeitphänomen einzuordnen. Im Werk und in der Selbstinszenierung Makarts werden bereits moderne Phänomene wie das Massenevent und der Starkult sichtbar.

Über die Malerei hinaus nahm Makart als universeller Gestalter Einfluss auf Oper und Theater, Wohnkultur und Kleidungsstil. In den 1870er-Jahren löste er in Wien geradezu eine Makart-Mode aus. Man sprach vom Makart-Rot und vom Makart-Bouquet, ja sogar vom Makart-Hut, vom Makart- Dekolleté oder vom Makart-Baiser. Makart war Universalkünstler, ästhetisches Vorbild und einflussreichster "Designer" der Ringstraßenzeit. Inbegriff des Makart-Stils und Zentrum der Ausstellung ist das Atelier, das als Ort der Repräsentation und Selbstinszenierung gestaltet wurde. Es war nicht nur Arbeits- und Ausstellungsstätte, sondern auch gesellschaftlicher Mittelpunkt: Hier fanden opulente Künstlerfeste statt, hierher pilgerte man, um die neuesten "Sensationsbilder" zu bestaunen.

Neben Hauptwerken aus eigenem Bestand werden in der Ausstellung hochkarätige Leihgaben gezeigt, so etwa vier Gemälde aus Makarts Bilderzyklus zum "Ring des Nibelungen", die erstmals seit ihrer Erstpräsentation 1883 wieder in Wien vereint zu sehen sind. Einen Höhepunkt bilden Originalexponate des Huldigungsfestzugs für das Kaiserpaar von 1879, den Makart als Großevent künstlerisch gestaltet hat und bei dem ganz Wien auf den Beinen war. In der Sammlung des Wien Museums befinden sich neben Ölskizzen und Zeichnungen auch historische Kostüme, Fotos und Souvenirs vom Spektakel sowie das Modell eines Prunkwagens. Weiters sind Interieurs und Mode aus der Makart-Zeit zu sehen.

Die Ausstellung beginnt mit der zentralen Wirkungsstätte Makarts: seinem Atelier, das als geradezu mythischer Ort beschrieben wird. Entscheidenden Anteil daran hatte die märchenhafte Exotik der theatralisch inszenierten Kuriositäten und Kostbarkeiten aller Zeiten und Länder. Die zur Inspiration wie zur Dekoration gesammelten Objekte wurden durch den Künstler wie für ein Stillleben arrangiert, Makarts eigene Bilder waren an Wänden und auf Staffeleien zu bewundern. Malte er als junger Mann in München zunächst noch konventionell, so sattelte Makart bald auf "Sensationsbilder" (Kapitel 2) um. Seine als dekadent und "indecent" empfundenen Triptychen "Moderne Amoretten" und die "Pest in Florenz" von 1868 waren in Paris gezeigt und wegen ihrer "ungesunden kleinen geilen Farbeneffekte" gerügt worden, was ihn schlagartig bekannt machte. Die Folge: Obersthofmeister Fürst Konstantin Hohenlohe-Schillingsfürst empfahl dem Kaiser das "ungewöhnliche Kunstgenie" zum Aufschwung des Wiener Kunstlebens. Nach den "Sensationsbildern" folgt ein Blick auf die Ringstraßenmalerei.

Wien hatte sich mit dem Bau der Ringstraße ab 1857 zu einem der wichtigsten Kunstzentren Europas entwickelt. Die Hoffnung auf Aufträge lockte Künstler aller Sparten in die sich neu erfindende Kaiserstadt. Während Makart in den Palais innovationsfreudiger privater Auftraggeber seine "Farbräume" realisieren konnte, ging er bei den großen öffentlichen Aufträgen jedoch lange Zeit leer aus. Unter dem Titel "Gemalte Musik" wird im vierten Raum Makarts Beziehungen zu Richard Wagner nachgegangen. Beide verbindet das Streben nach dem Gesamtkunstwerk, Makart verehrte Wagner und richtete 1875 für ihn eines seiner berühmten Atelierfeste aus. Außerdem entstand der achtteiliger Bilderzyklus zum "Ring des Nibelungen", dessen reduzierte Farbigkeit und dramatische Lichtregie ihn aus dem sonstigen Oeuvre herausheben und eine Entwicklung Makarts ankündigen, die durch seinen frühen Tod gestoppt wurde.

Um den Makart-Stil geht es im nächsten Kapitel. Bis heute damit assoziiert werden überbordende Interieurs, angefüllt mit Antiquitäten unterschiedlicher Stilrichtungen, Orientteppichen, Wandbehängen etc. Der gesamte Einrichtungsstil von 1860 bis 1900 wurde retrospektiv mit Makart in Verbindung gebracht, dessen Üppigkeit von Modernen wie Adolf Loos abgelehnt wurde. Doch Makart wurde schon damals nicht nur als Antipode, sondern auch als Wegbereiter der Moderne, insbesondere Otto Wagners und Joseph Maria Olbrichs, angesehen. Weil nach dem Börsenkrach 1873 sich die Auftragslage für Ausstattungsmalerei verschlechterte, konzentrierte sich Makart nun ganz auf die Porträtmalerei (Raum 6). Kaum eine Dame der Gesellschaft – Makart porträtierte fast ausschließlich Frauen – wollte darauf verzichten, ihm Modell zu stehen. Eindrucksvoll sind die prachtvollen Roben seiner Modelle, wobei Makart häufig historisierende Kostüme der Renaissance und Rubenszeit verwendete, meist bestimmt eine Farbe bzw. ein Farbklang den Charakter des Bildes.

Dominant wurde Makarts Einfluss auch in der Welt des Theaters, der ein eigener Bereich gewidmet ist. Wie kein anderer bildender Künstler des 19. Jahrhunderts prägte Makart Oper und Theater in Wien. Zum einen entwarf er Theatervorhänge, zum anderen fand die Opulenz seiner Malerei in der Gestaltung von Bühnenbild und Kostümen ihren Niederschlag. Das fruchtbarste Zusammenspiel von Bühnenkunst und Malerei fand sich in der Person der Burg-Tragödin Charlotte Wolter, deren Porträt zu den Meisterwerken in der Sammlung des Wien Museums zählt.

Ein zentraler Raum der Ausstellung widmet sich dem "Makart-Festzug". Im Jänner 1879 hatte der Stadtrat Wiens beschlossen, zur Feier der Silberhochzeit des Kaiserpaares einen Festzug abzuhalten, die künstlerische Leitung war Makart übertragen worden. Der Festzug wurde zu seinem größten Kunstwerk. In nur wenigen Wochen ersann der "Zeremonienmeister" ein Massenevent von ungeahnten Dimensionen. Dank eines in Windeseile gemalten Frieses von fast 100 Metern Länge gelang es ihm, alle Kräfte zu mobilisieren: Wer etwas auf sich hielt, musste daran teilnehmen. Auf dem Fries, von dem 21 großformatige Skizzen in der Ausstellung zu sehen sein werden, defiliert die Wiener Gesellschaft nach Zünften und Genossenschaften geordnet in Kostümen der Renaissance und des Barock. Schneider, Wagenbauer und Architekten verwirklichten diese Entwürfe, am 27. April 1879 boten 27 Festwagen und 14.000 Teilnehmer/innen vor der Kulisse der Ringstraße den über 300.000 Schaulustigen ein einzigartiges visuelles Massenspektakel.

Im letzten Raum der Ausstellung steht der Makart-Kult und die Rezeption des Künstlers nach seinem frühen Tod am 3. Oktober 1884 im Fokus. Makart erhielt ein Prunkbegräbnis und ein Ehrengrabmal auf dem Zentralfriedhof, doch bereits wenige Jahre später wurde er von einigen als "Dekorateur" abgelehnt. Eine verstärkte Rezeption erfolgte dann im Nationalsozialismus, Adolf Hitler ließ für sein geplantes "Führer-Museum" in Linz Makart-Gemälde zusammentragen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Salonmalerei des 19. Jahrhunderts fand erst ab den 1970er-Jahren statt, aus heutiger Perspektive sind Makarts malerische Qualitäten wie auch sein umfassendes gestalterisches Talent gemeinsam zu betrachten, um dem Phänomen Makart als Ausdruck des Zeitgeists auf die Spur zu kommen.

Makart. Ein Künstler regiert die Stadt
In Kooperation mit dem Belvedere und dem Künstlerhaus
9. Juni bis 16. Oktober 2011