Kühle Studien der Abhängigkeit und Bedrohung: Die Filme von Joseph Losey

Der am 14. Januar 1909 in Wisconsin geborene Joseph Losey war zwar Amerikaner, wurde aber als junger Filmregisseur vom Kommunistenjäger McCarthy Anfang der 1950er Jahre nach England vertrieben. Dort schuf der Anhänger Bert Brechts in den 1960er und 1970er Jahren mit Filmen wie "The Servant", "Accident", "The Go-Between" und "Mr. Klein" zeitlose Meisterwerke. Das Filmfestival von San Sebastian widmet Losey seine heurige Retrospektive.

Aus seiner linken Gesinnung machte der aus großbürgerlichem Milieu stammende Joseph Losey nie ein Hehl. Ein Medizinstudium brach er bald ab und machte sich schon in den 1930er Jahren mit Theaterinszenierungen einen Namen. Schon damals nahm er Verbindungen zur Kommunistischen Partei auf und reiste nach Moskau, wo er zeitweilig Eisensteins Filmklasse besuchte.

Mit Erwin Piscator und Bert Brecht kam er in Kontakt und Brechts Theater hat Loseys Filme nachhaltig beeinflusst. "Das Leben des Galilei", das er schon 1947 mit Charles Laughton in Los Angeles und New York fürs Theater inszeniert hatte, verfilmte er 1974 und zu den Wunschprojekten, die er nie realisieren konnte, gehörte neben Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" eine Verfilmung von Brechts "Herr Puntila und sein Knecht Matti".

Fünf Filme konnte Losey in Amerika drehen, von seinem Debüt "The Boy With Green Hair" (1948) über den Film noir "The Prowler" (1951) bis zum Remake von Fritz Langs "M" (1951), bis er als Kommunist auf die "Schwarze Liste" von Senator Joseph McCarthy gesetzt und somit mit Arbeitsverbot belegt wurde.

Themen wie Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse sowie Außenseiterrollen, die freilich auch Losey selbst als Linken in den USA kennzeichneten, finden sich schon in diesen frühen Filmen und werden sich durch sein ganzes Werk bis zu "L´assassinio di Trotzky" (1972) und "Mr. Klein" (1976) ziehen.

Drehte Losey nach seiner Emigration nach England – zunächst unter Pseudonym – bis Anfang der 1960er Jahre Genrefilme, so gewinnt in seinem Werk ab "Eva" (1962) nicht nur der gesellschaftskritische Blick, sondern auch das Raffinement der Erzählweise an Gewicht.

Kühl und distanziert analysiert er in "The Servant" (1963) das langsame Kippen des Machtverhältnisses zwischen einem dekadenten Herrn und seinem Diener. Vom Amerikaner zum durch und durch europäischen - um nicht zu sagen: britischen - Regisseur wandelte sich Losey mit diesem Film und setzte diese Linie mit den ebenso wie "The Servant" von Harold Pinter geschriebenen "Accident" (1967), in dem die emotionale Indifferenz im Campus-Milieu von Oxford reflektiert wird, und "The Go-Between" (1971) fort.

Während Losey in diesem historischen Film über ein nicht standesgemäßes Liebesverhältnis neben der Gesellschaftsanalyse auch vom erwachenden Bewusstsein eines Jugendlichen, der als Mittler zwischen den Liebenden fungiert, erzählt, tendiert "Figures in a Landscape" (1969), in dem zwei Männer von einem Helikopter verfolgt werden, im Verzicht auf jede zeitliche und räumliche Verankerung zur existentiellen Parabel.

Um Abhängigkeitsverhältnisse geht es hier aber im gleichen Maße wie in dem im Ersten Weltkrieg spielenden Antikriegsfilm "King and Country" (1964), der von einem Kriegsgerichtsprozess gegen einen Soldaten , der sich unerlaubt von der Truppe entfernte, erzählt, oder in "L´assassinio di Trotzky" (1972), in dem Losey das Verhältnis zwischen dem im mexikanischen Exil lebenden Leo Trotzky und seinem von Stalin geschickten Mörder ausleuchtet.

Äußeren Mächten ausgeliefert, permanent bedroht sind die Figuren Loseys immer wieder, mal abstrakt wie in "Figures in a Landscape", mal konkret wie in "King and Country" oder auch in der Ibsen-Verfilmung "Nora – A Doll´s House" (1973) und ganz besonders kafkaesk in "Mr. Klein" (1976), in dem ein Pariser Kunsthändler von der Enteignung und Deportation der Juden durch die Nazis zu profitieren versucht, schließlich aber selbst für einen Juden gehalten wird und ins Räderwerk der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie gerät.

Und auch in Filmen, die scheinbar so gar nicht in das Werk des am 22. Juni 1984 in London verstorbenen Regisseurs passen wie die Opernverfilmung "Don Giovanni" (1979), der Science-Fiction-Film "The Damned" (1963) oder die Agentenfilm-Parodie "Modesty Blaise" (1966) lassen sich in der durchgängigen Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen unterirdische Verbindungslinien erkennen.

Joseph Losey-Retrospektive beim 65. Filmfestival von San Sebastian