Königliche Sammellust

Seinen Ruf als Kunstmetropole des 19. Jahrhunderts verdankt Stuttgart den vielfältigen Initiativen König Wilhelms I. von Württemberg als Sammler und Mäzen. Während seiner fast ein halbes Jahrhundert umspannenden Regierungszeit (1816–1864) begründet der Monarch mehrere öffentliche Museen sowie eine Kunstschule, aus der später die Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste hervorgeht.

In welchem Umfang Wilhelm die 1843 eröffnete Staatsgalerie samt Kunstschule mit Geschenken einzelner Kunstwerke sowie durch den Ankauf kompletter Sammlungen aus seinem Privatvermögen fördert, ist heute weitgehend vergessen. Auch dass Wilhelm ein aktiver Privatsammler ist, der in seinen Schlössern Rosenstein und Wilhelma eine der umfassendsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst des 19. Jahrhunderts zusammenträgt, ist heute nur noch Fachleuten bekannt.

Daher nehmen die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und die Staatsgalerie Stuttgart den 150. Todestag König Wilhelms 2014 zum Anlass, sein öffentliches und privates Engagement für die bildende Kunst erstmals zum Thema einer Ausstellung zu machen. Wissenschaftliche Grundlage dieses Projekts ist neben den gedruckten Quellen die umfassende Auswertung der königlichen Kabinettsakten, die heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aufbewahrt werden. Durch sie kann die Geschichte zahlreicher Ankäufe nachvollzogen und einige Werke erstmals als ehemaliges königliches Sammlungsgut identifiziert werden.

Die in der Stirling-Halle der Neuen Staatsgalerie gezeigte Ausstellung wird den Besucher mit einer wahrhaft königlichen Auswahl von Kunstwerken konfrontieren. Sowohl Werke der älteren wie auch der damals modernen Kunst präsentieren den Horizont des 19. Jahrhunderts. Neben bekannten Werken der Staatsgalerie können so seit Jahrzehnten ungesehene Bestände gezeigt werden, die zum Teil mitsamt ihrer authentischen Rahmen im Vorfeld der Ausstellung aufwendig restauriert werden.

Der erste Teil der Ausstellung widmet sich König Wilhelms Privatsammlung, die mehrheitlich in den Schlössern Rosenstein und Wilhelma aufbewahrt wird. Wilhelms private Sammlerinteressen veranschaulichen hier Werke seiner bevorzugten Künstler, darunter Gottlob Friedrich Steinkopf, Joseph Anton Gegenbaur oder des in Rom ansässigen August Heinrich Riedel, dessen Gemälde in keiner europäischen Adelssammlung fehlen dürfen. Neben zahlreichen Leihgaben aus Privatbesitz sind hier auch Werke zu sehen, die dem König geschenkt werden, wie etwa Galimards Leda mit dem Schwan, das als Geschenk Kaiser Napoleons III. auf den Rosenstein gelangte. Zum ersten Mal vollständig präsentiert wird hier eine Serie von Glasmalereien, die Schlaf-, Bad- und Toilettezimmer auf Schloss Wilhelma schmückten und die im Kleinformat jene Gemälde reproduzieren, die der König am meisten schätzt – ein "King’s Choice" aus seiner eigenen Sammlung.

In einem eigenen Raum werden den Besuchern Ankaufsdokumente aus Wilhelms Kabinettsakten vorgestellt. Hier sind ausgewählte Ankaufsakten ausgebreitet, die vielfach Zeichnungen, Aquarellreduktionen oder sogar Fotografien der Werke enthalten, die dem König angeboten werden. Am Beispiel der Ankaufsakte, einer eingesandten Skizze und dem vollendetem Kunstwerk soll der Weg von Carl Werners Drei Ordensschwestern im sonnigen Klosterhof in Wilhelms Privatsammlung exemplarisch nachvollzogen werden.

Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich Wilhelms Schenkungen an die Staatsgalerie. Hier werden einige der Gründungswerke des Museums wie Schicks "Apoll unter den Hirten" und Danneckers kolossale Schiller-Büste zu sehen sein, die der Künstler selbst dem König und dem Land vermacht hat. Anlässlich seines Geburtstages, den 27. September, schenkt der Monarch jährliche seinem Museum ein Kunstwerk. Eine Auswahl davon reflektiert die Sammelschwerpunkte des 19. Jahrhunderts sowie den Bedarf eines Museums, das zugleich öffentliche Galerie sowie Vorbildsammlung für angehende Künstler gedacht ist.

So finden sich hier Kopien von Hauptwerken Raffaels und Leonardo da Vincis neben einem mittelalterlichen Schönheitswettbewerbs von der Hand des Klassizisten Philipp Friedrich Hetsch und einer dramatischen Szene aus Dantes Göttlicher Komödie von Robert von Langer. Zwei den Bestand der Staatsgalerie bis heute prägende Ankäufe, jener der Stuttgarter Sammlung Abel sowie der venezianischen Sammlung Barbini-Breganze, werden aus der Perspektive ihres königlichen Erwerbers nachvollzogen, d.h. besonders auch mit Gemälden, die damals als Hauptwerke von Tizian, Giorgione oder Martin Schaffner angesehen werden und sicher das Engagement des Königs zum Ankauf beflügeln.

Eine Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg.


Königliche Sammellust
Wilhelm I. von Württemberg als
Sammler und Förderer der Künste
18. Juli bis 26. Oktober 2014