Klänge brauchen Räume. Peter Zumthor kuratiert bei Wien Modern

Der große Architekt und Pritzker-Preisträger Peter Zumthor ist diesmal Kurator im Format "Musikverein Perspektiven" von Wien Modern und der Gesellschaft der Musikfreunde, auch um seinen 80. Geburtstag zu würdigen, vor allem aber um den leidenschaftlichen Musikmenschen Zumthor kennen zu lernen. Im vorigen Jahr war Georg Baselitz geladen, der unlängst mit den "Nackten Meistern" im Kunsthistorischen Museum (siehe Artikel Georg Baselitz im Dialog mit den Alten Meistern) in spannenden Dialog trat.

Acht Tage mit dreizehn Konzerten und acht Werkstattgesprächen des Architekten mit den MusikerInnen – nur beim ersten werden die Rollen getauscht und Peter Zumthor befragt, und zwar von Stephan Pauly, Intendant der Musikverein Perspektiven, sowie Bernhard Günther, künstlerischer Leiter des Wien-Modern-Festivals. Über Wortspiele mit Stimmigkeit ist man gleich bei der Sache, Peter Zumthor will in seiner Arbeit etwas Wesentliches, Passendes schaffen, es geht nicht so sehr um Innovation: "Ich komme von irgendwo her, das soll man spüren, nicht als Zitat, sondern als Gefühl, es soll stimmen", und da passiert mit der Frage "musst du oft umplanen, bis es passt?" schon ein kleiner Fauxpas. Augenzwinkernd kontert der Architekt, "das heißt künstlerische Entwicklung!" und fügt doch hinzu, "du musst es schon aushalten, dass es mitunter länger dauert …"

Das Ankündigungsplakat vor dem Musikverein, wo der Großteil der Konzerte stattfindet, zeigt den sakral anmutenden Innenraum der Therme Vals mit Blick nach draußen auf die Bergwiesen, die drei Nadelbäume wie arrangiert. Peter Zumthor komponiert Räume. Klänge brauchen Räume – was ist die Orgel ohne Kathedrale – und jedes Gebäude hat seinen eigenen Klang. Dort liegt die hehre Aufgabe des Architekten. Es wäre faszinierend gewesen, mit Zumthor die Konzerträume zu suchen, berichtet Stephan Pauly, "… habt ihr nicht einen Raum der Kraft hat … ?", und sie wurden fündig, in der Servitenkirche zum Beispiel. Oder im Stift Klosterneuburg.

Aufsehenerregend die fünfzehn Minuten andauernde Klanginstallation von Peter Conradin Zumthor, Sohn und Musiker, "con sordino für präparierte Kirchenglocken". Und es sind nicht nur die Stiftsglocken (19.11.) sondern auch die Stephansdom-Glocken (22.11 — 4.12.) die einen Klangteppich ausbreiten. "Glocken sind vielleicht die größten Schlaginstrumente der Welt. Ein Geläut könnte man auch als Schlagzeugkonzert bezeichnen. Ein weicher Klöppel entlockt der Glocke andere Musik als ein harter. Kaum Anschlag, viel Ausklang. Ein leises Summen, ein fremder Singsang, lontano, con sordino. Eine Musik von urtümlicher Selbstverständlichkeit. Aus der Tiefe des Raums, aus der Tiefe der Zeit scheint es zu kommen, von dort scheint es uns zu berichten: das leise Geläut." 

Ein ganz besonderes Werkstattgespräch findet in der Folge noch im Architekturzentrum Wien statt: "Mein Vater, der Architekt – mein Sohn, der Musiker." Und was macht Musik mit Peter Zumthor, wäre noch die Frage?: "Ich liebe es, in Musik zu versinken. Für die Dauer eines musikalischen Erlebnisses vergesse ich die Zeit um mich herum, bin nur in der Zeit des Stückes. Und wenn die Musik aufhört, bleibt manchmal ein Eindruck zurück in der Seele. Auf ähnliche Weise kann mich Architektur besänftigen – ja, im besten Fall sogar berühren."

Eröffnungskonzert Musikverein Perspektiven: Peter Zumthor

Claudio Abaddo Konzert. In Memoriam Friedrich Cerha
„Fasce“ für großes Orchester (1959/1974) Friedrich Cerha
„Wound“ für Ensemble und Orchester (2022)
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Klangforum Wien
Dirigent: Bas Wiegers
Produktion Wien Modern und Gesellschaft der Musikfreunde in Wien