Kandinsky, Klee, Schiele…

Den 100. Jahrestag des Ankaufs der nun erstmals ausgestellten "Sema"-Mappe nimmt die Staatsgalerie Stuttgart zum Anlass, um herausragende Werke von Kandinsky, Klee und Schiele, sowie weiteren Künstlern wie Beckmann, Feininger und Schlemmer aus dem reichen Bestand der Graphischen Sammlung zu zeigen. Die rund 60 ausgewählten Graphiken veranschaulichen die bislang unterschätzte Bedeutung von Mappenwerken für den Aufstieg der modernen Kunst. Diese gemeinschaftliche Kunstform als Ursprung technischer Experimente bietet den Künstlern die Möglichkeit zur Verbreitung ihrer Ideen, ist aber auch ein Verkaufsobjekt für den Kunstmarkt.

Nahezu alle bedeutenden Wegbereiter der Moderne wenden sich im 20. Jahrhundert neben der Malerei auch den graphischen Künsten zu. Neben Einzelblättern, illustrierten Büchern und Zeitschriften werden um 1910 insbesondere Graphikmappen zu einer beliebten Kunstform. Als Möglichkeit die avantgardistische Kunstauffassung öffentlich zu formulieren, sind die Mappenwerke sowohl für einzelne Künstler interessant, als auch für die Vielzahl von zusammengeschlossenen Künstlervereinigungen. Gleichzeitig ermöglicht der Verkauf der vervielfältigten Drucke das wirtschaftliche Fortkommen der aufstrebenden Künstler. Bislang kaum wahrgenommen, offenbaren die Graphikmappen ein überaus vielfältiges und erkenntnisreiches Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen.

Die Ausstellung zeigt eine qualitätsvolle Auswahl des reichen Bestands der Graphischen Sammlung und umfasst herausragende Blätter aus den berühmten vier Mappen der "Bauhaus-Drucke. Neue Europäische Graphik". In diesen vereint sich die gesamte internationale Avantgardebewegung der 1920er-Jahre: von Umberto Boccioni, Lyonel Feininger bis zu Alexej Jawlensky. Daneben ist die heute kaum bekannte "Sema"-Mappe von 1912 neu zu entdecken, die als Prototyp eines Mappenwerks vollständig zu sehen ist und die ersten Lithographien von Paul Klee, Egon Schiele und Max Oppenheimer enthält. Vor genau einhundert Jahren erworben, gelang der Staatsgalerie Stuttgart ein historischer Ankauf.

Die von der Künstlergruppe um Willi Baumeister und Oskar Schlemmer 1919 hervorgebrachte "Üecht"-Mappe ist als besonderes Beispiel für ein in Stuttgart konzipiertes Graphikprojekt zu sehen. Herausgegeben mit dem Ziel, Paul Klee als Professor für die Stuttgarter Akademie zu gewinnen, ist die Mappe bis heute ein wichtiges Beispiel für eine gemeinschaftlich konzipierte Graphikmappe. Die Arbeiten Schlemmers geben zudem einen Ausblick auf die umfassende große Retrospektive "Oskar Schlemmer. Visionen einer neuen Welt", die im Herbst in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen sein wird (21. November 2014 bis 6. April 2015).

Katalog (im Museumsshop erhältlich): Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog mit Essays von Susanne M.I. Kaufmann und Corinna Höper sowie einem Verzeichnis der Mappenwerke und in Deutschland publizierten illustrierten Zeitschriften von 1910 bis 1945 in der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart. 120 Seiten mit 80 Abbildungen; 24,90 Euro; Hirmer-Verlag München.

Kandinsky, Klee, Schiele…
Ausgewählte Graphikmappen des frühen 20. Jahrhunderts
28. März bis 29. Juni 2014