Josef Pillhofer - Aufbrechen von Gesetzmäßigkeiten

Der Bildhauer Josef Pillhofer wäre 2021 100 Jahre alt geworden. Sein Werk ist äußerst vielfältig und beschäftigt sich von Anfang an mit der Zwei- und Dreidimensionalität als zentrale Fragen der Bildhauerei.

Wie entsteht aus der Zweidimensionalität des Bildes eine räumliche Manifestation? Wie entsteht ein Bild? Die sichtbare Welt wird zum Bild (Landschaftszeichnungen), der blockhafte Gegenstand reduziert sich zur Fläche (Collage), die Fläche klappt sich erneut zum Körper auf (Faltungen). Die Neue Galerie Graz widmet Josef Pillhofer eine Ausstellung, die sich diesen zentralen Fragen widmet.

Rund 130 Werke sind in dieser Ausstellung zusammengeführt, die unterschiedliche Bereiche im Schaffen Josef Pillhofers abdecken. Bemerkenswert ist die Unterschiedlichkeit der Werkgruppen. Zeichnungen und Skulpturen wechseln einander ab. Dabei sind die Zeichnungen selten reine Bildhauerzeichnungen, sondern selbstständige Kunstwerke mit eigenen Problemstellungen und Lösungen. Diese Zeichnungen sind äußerst aufschlussreich. So sind die in der Ausstellung sehr zahlreich vertretenen Landschaftszeichnungen hervorragende Zeugnisse, wie Pillhofer aus Formationen in der Natur skulpturale Formen extrahiert. Architektonische und skulpturale Konstellationen ergeben sich für ihn direkt aus dem Naturerlebnis bzw. aus der Betrachtung derselben. So ist auch eindrucksvoll zu sehen, wie sich aus den Zeichnungen vom Neuberger Münster die Skulptur Erinnerung an das Neuberger Münster entwickeln lässt.

Experimente mit gegenstandsloser Skulptur und „negativem Raum“

Es sind oft die Formen aus der Natur, die Pillhofer isoliert und zu völlig neuen Inhalten zusammenführt. Man ist dabei auch an die konkrete Kunst erinnert, die für den Künstler in seiner frühen Schaffensphase sicher einflussgebend war. Referenzen zu Georges Vantongerloo, Katarzyna Kobro oder Lygia Clark sind genauso verblüffend wie bisher unbemerkt geblieben. Josef Pillhofer steht der Tradition der Moderne nahe, er formuliert diesbezüglich äußerst exakt, was wohl auf seine Ausbildung Anfang der 1950er-Jahre in Paris bei Ossip Zadkine zurückzuführen ist. Seine Begegnungen mit weiteren Hauptvertretern der Moderne wie Constantin Brancusi, Henri Laurens oder Alberto Giacometti haben das Übrige getan. Pillhofer war zu dieser Zeit hervorragend vernetzt und hatte höchstes Ansehen unter den Heroen der Moderne. In Österreich fand er in Fritz Wotruba einen adäquaten und genialen Lehrer, den er an Radikalität übertreffen sollte. Wotruba hat den Menschen als Grundbezugsquelle seiner Arbeit nie verlassen. Pillhofer hingegen ließ das Anthropomorphe hinter sich. Er war der erste Bildhauer in Österreich, der rein gegenstandslose Werke schuf.

Seine Experimentierfreudigkeit hat ihn zu weiteren wesentlichen Entscheidungen innerhalb seines Schaffens geführt. So ist auch der "negative Raum" die Zwischen-, Um- und Hohlräume ein Aspekt in seinem Schaffen. Ihm wurde ähnlich wie den Konstruktivist_innen und konkreten Künstler_innen bewusst, dass der immaterielle Bereich für die Skulptur gleichbedeutend ist wie die Skulptur selbst. Somit thematisiert er nicht selten den Schatten als konstruktives Element der Skulptur. Er lässt Zwischenräume bewusst prominent in Erscheinung treten und definiert auf diese Weise den klassischen Skulpturenbegriff gleichsam neu.

Die Blechbiegungen, die bereits in den 1950er-Jahren entstanden sind, zeugen von der Auseinandersetzung mit dieser Art von Raumvorstellung. Aus der Fläche gebogene Körper bilden Volumen, die sie begrenzen, die sie umfassen. Das Räumliche als Kategorie kommt somit vehement in die Skulptur. Damit ist der Kontext der Architektur ebenso gemeint wie die Skulptur. Die Skulptur ist im 20. Jahrhundert nicht mehr ausschließlich damit beschäftigt, die Kategorien Masse, Volumen und Schwerkraft zu verhandeln. Vielmehr geht das Interesse der Bildhauer_innen seit Beginn des 20. Jahrhunderts bereits in Richtung Raum, Zeit, Energie und Bewegung.

Aufbrechen von Gesetzmäßigkeiten

Josef Pillhofer lässt sehr viel davon in seinem Werk anklingen. Er zeigt Ansätze, die höchst radikal sind, und ist somit ein sehr aktueller Bildhauer mit gegenwärtigen Fragen und Problemen, mit denen wir gerade heutzutage ständig konfrontiert sind.

Die Skulptur ist bei Pillhofer zwar überwiegend auf das Gegenständliche bzw. die menschliche Figur zurückzuführen. Sie besteht auch meist aus den klassischen Materialien Stein oder Bronze und ist oft sockelgebunden. Jedoch bricht Pillhofer diese Gesetzmäßigkeiten auf und erreicht damit eine Erweiterung der bildhauerischen Konstanten. Seine Fragestellungen reichen grundsätzlich in benachbarte Sparten wie Zeichnung, Collage und weiter bis zur Bewegung, wenn er Skulpturen entwickelt, mit denen auf der Bühne agiert wird.

Sein Werk in dieser Ausstellung zu ehren, wird überraschende und vielleicht bis jetzt noch nicht in diesem Maße bekannte Erkenntnisse sichtbar machen. Die Werke dieser Schau kommen aus der Sammlung der Neuen Galerie Graz (fünf Arbeiten), der Großteil sind jedoch Leihgaben, die dem Nachlass des Künstlers entstammen und bisher selten bis nie gezeigt wurden.

von 2 auf 3
100 jahre josef pillhofer
Bis 24. Oktober 2021
Kuratiert von Günther Holler-Schuster