Johannes Dörflinger - Orakel

Malerische Polaroid-Transformationen kennzeichnen Johannes Dörflingers künstlerisches Werk der letzten Jahre. Für die Polaroid-Aufnahmen inszeniert der Künstler oft Objekte aus seiner eigenwilligen Sammlung, antike Fundstücke ebenso wie skurrile Alltagsgegenstände. Die so entstandenen Fotografien werden durch ein Wechselspiel zwischen farbintensiver Übermalung und bewahrender Aussparung von Einzelheiten des Polaroid-Bildgrunds verdichtet.

Die kleinformatigen, leuchtend farbigen Polaroid-Transformationen werden in der Ausstellung des Kunstvereins Konstanz in lebhaftem Kontrast zu großformatigen Arbeiten gezeigt, u.a. Kohlezeichnungen, deren prägnant-sparsamer Strich Formen und Figuren leicht und wie improvisiert entwirft.

In der Bildserie Apokalypse, offen knüpft Dörflinger an mittelalterliche Apokalypse-Szenen einer spanischen Handschrift des 10.Jahrhunderts an. Die Polaroidaufnahmen der Beatus- Apokalypse transformiert der Künstler in kolibrirot leuchtende Visionen und legt mit der Einfügung ganz eigener, gegenwärtiger Objekte eine Spur, wie der endzeitliche Schrecken der Vor-Bilder spielerisch zu bannen und zu überwinden sei.

Passend zu seinem Lebensjubiläum zeigt Dörflinger (*1941) eine aktuell entstandene 80teilige Werkserie, aus der sich auch der Titel der Ausstellung herleitet: Orakel. Diese „80 Erzählungen in Polaroid-Transformationen“ gliedert Dörflinger in 20 Blöcke zu je vier Arbeiten, deren Obertitel, z.B. Arbeiter, nicht selten in einem unerwarteten Kontrast zu den Titeln der einzelnen Arbeiten, im Beispiel Sänger, Poet, Akrobat und Magier, stehen – und unter Freiübung wird nicht nur Strecken, Schwimmen und Fliegen eingeordnet, sondern auch das Malen. Schon in dieser Titelgebung wird deutlich, wie eigenständig Dörflingers Denk- und Bildwelt angelegt ist. Formale Darstellungen, etwa einer Kugel, erweitern sich spielerisch-assoziativ in spirituell-inspirierende Bilder des Himmels oder hinduistischer Mythenfiguren wie dem Affengott Hanuman. Ob Kugel, Magier oder Affe, im Gesamtwerk Dörflingers gehören sie zu den individuellen Motiven, die immer wiederkehren, in neuer Gestalt und anderem Medium: der Magier etwa ist in Dörflingers Tarot-Skulpturen der Kunstgrenze derjenige, der in seinen schimmernd-metallenen Formen die Grenzlinie bis ins Wasser zieht und dort über dem See schwebt. So vielfach, wie Dörflingers weit gespanntes Werk, dessen internationale Wahrnehmung bis in die 1960er Jahre zurückreicht und in das die Ausstellung des Kunstvereins Konstanz einen aktuellen Einblick gibt, auch zu interpretieren ist, seine Arbeiten sind stets nichts weniger als „Angelhaken für die Phantasie“, wie es der Künstler selbst formuliert.

Johannes Dörflinger - Orakel
24. Juli bis 19. September 2021