This Infinite World

Mit "This Infinite World" zeigt das Fotomuseum Winterthur im Jubiläumsjahr seine zehnte Set-Ausstellung, welche die 20-jährige Geschichte des Museums in besonderer Weise aufgreift. Kein Geringerer als der heute in New York lebende Fotograf Paul Graham (*1956 in Stafford/GB) wurde eingeladen, diese zweite Jubiläumsausstellung nach "Concrete – Fotografie und Architektur" zu kuratieren.

Mit der Einzelpräsentation "New Europe" des damals noch wenig bekannten Briten wurde das Fotomuseum Winterthur 1993 feierlich eröffnet. Nun zeigt Paul Graham, der für seine fotografische Arbeit 2012 mit dem renommierten Hasselblad Award ausgezeichnet wurde, als Gastkurator mit einer "Carte Blanche" ausgestattet seine persönliche Künstlersicht auf die 4000 Werke in der Sammlung des Fotomuseum Winterthur. In einundzwanzig Künstlerpositionen von Diane Arbus bis Bertien van Manen, von Lewis Baltz und Luigi Ghirri bis Boris Mikhailov, umreisst Graham nicht nur den Entstehungsprozess fotografischer Erzählungen, sondern hinterfragt auch die Position des Fotografen in einer unbegrenzten Welt.

Mit Werken von Diane Arbus, Lewis Baltz, Richard Billingham, Joachim Brohm, Bieke Depoorter, Rineke Dijkstra, Dick Duyves, William Eggleston, Robert Frank, Jean Louis Garnell, Luigi Ghirri, David Goldblatt, Volker Heinze, Lukas Hoffmann, Jacob Holdt, Daniela Keiser, Boris Mikhailov, Michael Schmidt, Alec Soth, Bertien van Manen und Stephen Wilks. Zur Ausstellung erscheint die Sammlungsbroschüre Set 10. Gleichzeitig werden alle zehn Sammlungsbroschüren Set 1 bis Set 10 gemeinsam in einer Jubiläumsbindung angeboten.

10 Jahre Sammlung des Fotomuseum Winterthur

Jede Sammlung hat ihre eigene Geschichte, ihre eigene Struktur. Museen werden oft erst dann eröffnet, wenn eine Sammlung über Jahrzehnte wie ein Fluss angeschwollen ist und dann überquillt, sich verliert oder eben geordnet in ein Museum gelenkt wird. Die Sammlung des Fotomuseum Winterthur hingegen begann 1993 bei null. Sie verdankt sich nicht dem kennerhaften, obsessiven Anhäufen eines Sammlers, sondern der Vorstellung, mit der Sammlung und ihren verschiedenen Präsentationen eine andere Bilddiskussion führen zu können als mit Einzel-, Gruppen- und mit thematischen Ausstellungen im engeren Sinn. Einzelne Werke oder Werkgruppen der Sammlung tauchen in unterschiedlichen Kontexten, Zeitachsen auf und können so immer wieder neu und anders gelesen werden. Die Sammlung dient also nicht nur der Konservierung wertvoller Werke, sondern auch der möglichen Erziehung zum Bild, zum Verständnis des Wirkens von Fotografie, der Fotografie alleine für sich, im Kontext Kunst, im Umfeld dichter, intensiver medialer Ströme, und im Spiegel des Betrachters.

Die Sammlung des Fotomuseum Winterthur setzt um 1960 ein. Zu diesem Zeitpunkt erst, weil es (pragmatisch) seit den 1990er Jahren unerschwinglich geworden ist, die Geschichte der Fotografie wiederzugeben, wenn man nicht nur Einzelwerke kaufen will. Zu dieser Zeit auch, weil da (inhaltlich) ein Paradigmenwechsel stattfindet, wie Fotografie funktioniert und wie wir sie wahrnehmen. Das Fernsehen löst die Fotografie als erste visuelle Berichterstatterin ab, und die Kunst beginnt, sich nun definitiv auch für das fotografische Bild zu interessieren. Und nicht zuletzt in diesem Zeitraum, weil (strategisch) die Gegenwart und die neuere Vergangenheit es erlauben, von vielen Fotografen und Künstlern nicht nur Einzelwerke, sondern Werkgruppen, Sprachen und Haltungen zu sammeln. Wann immer es die Situation erlaubt, suchen wir mit einer zentralen Gruppe von Fotografien das Denken, das Sehen, das Meinen des Fotografen zu konservieren und zur Diskussion zu stellen.

Zwei Linien ziehen sich schwergewichtig durch die Sammlung: eine dokumentarische und eine konzeptuelle. Die dokumentarische setzt mit Robert Frank ein – auch wegen den persönlichen und professionellen Beziehungen der beiden Mitbegründer George Reinhart und Walter Keller zum Amerikaschweizer – und zieht sich dann, mal erzählerischer, mal strenger strukturiert über Lewis Baltz, Daido Moriyama, William Eggleston, Larry Clark, Nan Goldin, Paul Graham, Gilles Peress usw. bis in die Gegenwart. Die konzeptuelle Linie, die photobased conceptual art, folgt der permanenten Befragung des Sehens durch Fotografie in Werken von Michael Heizer, Vito Acconci, Robert Smithson, Sol LeWitt, Hamish Fulton, Robert Heinecken, John Baldessari u.v.a. aus den 1960er Jahren, bis zu Roni Horn und Tacita Dean in der Gegenwart. Fotografie aus Industrie und Handel sammeln wir zudem in einem separaten Archiv.

Seit 2003 haben wir die Möglichkeit, die Sammlung jährlich neu zu präsentieren. Set 1 bis 10 markiert sowohl zehn sehr unterschiedliche Sammlungspräsentationen (seit den Anfängen von Thomas Seelig kuratiert) als auch die begleitenden Sammlungsbroschüren. Seit ein paar Jahren zeigt das Fotomuseum Winterthur zudem seine Sammlung – rund 4000 Werke von 400 KünstlerInnen – fast integral online. 20 Jahre Fotomuseum Winterthur, 10 Jahre Sammlungspräsentationen: die hier eingebundenen Hefte demonstrieren den fortlaufenden Diskurs mit den fotografischen Werken in der Sammlung des Fotomuseum Winterthur.
Urs Stahel, Direktor Fotomuseum Winterthur

This Infinite World
Set 10 aus der Sammlung des Fotomuseum Winterthur
8. Juni 2013 bis 16. Februar 2014