Hiller - Das fotografische Gedächtnis des Bregenzerwalds

In der Sonderausstellung zeigt das Vorarlberg Museum in Kooperation mit der Vorarlberger Landesbibliothek und dem Bregenzerwald Archiv ab 27. Mai 5000 Familienporträts, Landschaftsaufnahmen und Alltagsgeschichten aus dem umfangreichen Nachlass der Hillers. Kuratiert wird die Ausstellung vom Fotograf und Künstler Arno Gisinger.

Ob Hochzeitsfoto, eine Erinnerung an die Erstkommunion oder ein Sterbebild. Im 20. Jahrhundert war das "Foto-Studio-Hiller" im Bregenzerwald die erste Adresse. Die Familie Hiller dokumentierte über sieben Jahrzehnte das Leben im Bregenzerwald und die Veränderungen der Talschaft. Johann Kaspar Hiller (1887–1946), geboren in Reuthe nahe Bezau, war ausgebildeter Bildhauer und fotografierte erst lediglich seine eigenen Skulpturen. Im Ersten Weltkrieg wurde er als Soldat eingezogen. Seine Kamera war mit dabei und es entstanden über 150 Fotografien von der italienischen Front. Nach der Heirat 1922 richtete er in Bezau im Haus seiner Schwiegereltern ein Fotostudio ein. Aus dem ganzen Bregenzerwald pilgerten die Leute zum einzigen Fotostudio weit und breit, um sich zu besonderen Anlässen ablichten zu lassen. Sei dies bei der Erstkommunion, der Hochzeit oder auch nach der Musterung ("Spielbubenfotos"). Auch Post-mortem-Fotografie am Sterbebett des Verstorbenen war damals üblich. Was erst wenig Ertrag brachte, änderte sich in den 1930er Jahren mit dem aufkommenden Tourismus im Bregenzerwald. Nicht wenige Hotels waren an Postkarten interessiert, die sie in einer Auflage bis zu 1000 Stück bestellten.

Die Sonderausstellung zeigt die ganze Bandbreite des Schaffens der Familie Hiller. Kurator Arno Gisinger geht ins Detail: "Die Ausstellung zeigt die Blüte und auch das Ende der analogen Fotografie. Sie soll aber keine verstaubte Retrospektive sein, sondern die Brücke zur heutigen digitalen Fotografie schlagen." Es geht auch darum, den Umgang mit Handyfotos zu reflektieren. Dies geschieht anhand von vier Handystationen, aber auch in vermittelnden Workshops und Führungen. Die Kunstform "Porträt" steht im Zentrum des Schaffens der Familie. "Sie beruhte auf einer besonderen Form des Zusammenspiels zwischen dem Fotografen oder der Fotografin mit seinen Modellen. Gerade in einem lokalen Kontext spielte die persönliche Beziehung zur abgebildeten Person eine wichtige Rolle." Die Ausstrahlung der Menschen und deren Inszenierung auf den über 4500 Porträts, die in der Ausstellung in Stoffbahnen von der Decke hängen, zeichnen die Bilder aus.

Neben den Porträts zeigt die Ausstellung auch Landschaftsbilder, die nicht nur die touristische Idylle des Bregenzerwalds eingefangen haben, sondern auch die Veränderungen des Tals. Aus der Privatsammlung Hiller sind noch etliche Kameras erhalten, die in der Ausstellung bestaunt werden können. Wie die Analogfotografie funktioniert hat, kann man außerdem anhand einer Schaudunkelkammer und mit Camera obscuras erleben.

Alle fünf Kinder aus der Ehe von Johann Kaspar Hiller und Maria Hiller (geb. Dünser) erlernten das Fotografenhandwerk. Als Johann Kaspar nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 stirbt, übernimmt der jüngere Sohn Kaspar jun. den Betrieb bis 1958, doch auch er verstirbt unerwartet jung an einem Herzinfarkt. So lagen die Geschicke des Betriebs plötzlich bei seiner Schwester Hedwig. Sie wollte das Erbe fortführen und begann eine fotografische Ausbildung. Nach ihrer Lehre und etlichen Praktika bei renommierten Fotografen legte sie 1959 als erste Frau in Vorarlberg die Meisterprüfung als Fotografin ab. Mit viel Engagement modernisierte Hedwig Berchtel (geborene Hiller) in der Folge das Fotostudio und führte es bis zu ihrer Pensionierung 1995. Die Ausstellung zeigt so auch auf, wie Frauen im 20. Jahrhundert in klassisch männerdominierte Berufe vordringen konnten.

Das gelungene Zusammenspiel zwischen der Vorarlberger Landesbibliothek, dem Bregenzerwald Archiv und dem Vorarlberg Museum ermöglicht die dauerhafte Erhaltung der Fotos und Zugänglichmachung für ein breites Publikum (siehe Statements auf der nächsten Seite). Die Originale des rund 100.000 Fotos umfassenden Bestandes werden auf Basis eines Schenkungsvertrages mit der Familie Berchtel seit Juni 2020 sukzessive dem Bregenzerwald Archiv übergeben und verbleiben somit in der Region.

Ab 25.5.2023 sind zudem auf dem Fotoportal "volare" der Vorarlberger Landesbibliothek Fotos zu den unterschiedlichsten Themen aus dem Hiller-Archiv online: Das Spektrum der Inhalte erstreckt sich vom Ersten Weltkrieg bis hin zur Alltagsgeschichte des Bregenzerwaldes. "volare" ist ein Fotoportal, das neben eigenen Beständen Fotosammlungen des Stadtarchives Dornbirn, Bregenz und jetzt auch des Bregenzerwald Archivs umfasst.

2024 erscheint ein Katalog zur Ausstellung im Residenz Verlag, der vom Vorarlberg Museum herausgegeben wird.

Hiller. Das fotografische Gedächtnis des Bregenzerwalds
27. Mai 2023 bis April 2025

Die Vernissage findet am Freitag, 26. Mai um 17.00 Uhr im Atrium statt.
Kuratorenführung mit Arno Gisinger am Samstag, 27. Mai um 15.00 Uhr.