Érik Desmazières (geb.1948) Kunst bricht mit der Realität trotz ihrer unglaublichen Wirklichkeitsnähe – dieser Bruch erfolgt entweder über die Raumdarstellung oder über das vermittelte Zeitgefühl. Sein Oeuvre offenbart realitätsnahe, oftmals menschenleere Bildwelten von eindrucksvoller Präzision und ungewöhnlicher Zeitlosigkeit. Der eindringliche Blick des Künstlers fällt in üppig gefüllte Innenräume der Vergangenheit, wie Ateliers und Bibliotheken, und schweift grosszügig über menschenleere Stadtansichten der Gegenwart.
Der in Paris lebende, französische Künstler gehört zu den besten Radierern seiner Generation. Virtuos reizt er die technischen Möglichkeiten der Radierung und Aquatinta bis zum Äussersten aus. Dabei nuanciert er mit bemerkenswerter Kunstfertigkeit die Grautöne und zaubert atmosphärische Licht- und Schatteneffekte. Er bleibt einem Motiv lange treu und variiert es, so dass zahlreiche verschiedenartige Zustände entstehen.
Manche Blätter schaffen dank der sich scheinbar über die Bildgrenzen fortsetzenden Raumlinien eine eigene Dynamik und üben so einen schwindelerregenden Effekt auf den Betrachter aus. Andere hingegen sind so detailgetreu und beschaulich, dass sie wie das exakte Abbild der Realität erscheinen. Desmazières üppige Bildsprache ist inspiriert von einer älteren, vergangenen Bildtradition und erscheint so anachronistisch.
Der Verlust des Zeitgefühls manifestiert sich insbesondere in seinen realitätsnahen Stadtansichten – zeigen diese doch weder technologischen Fortschritt noch Modernität. Die menschenleeren Innenräume sind häufig Erinnerungen an Orte, die in der Realität nicht mehr existieren. Zugleich sind sie intime Charakterisierungen der im Bild abwesenden Personen. So wirklichkeitsnah Desmazières Räume auch erscheinen, sie sind Fenster in andersgeartete Welten, die einem eigentümlichen Raum-Zeit-Gefüge untergeordnet sind. Sie zeigen seine eigene Interpretation der Wirklichkeit.
Réflexions sur l’espace et le temps
Druckgraphik von Érik Desmazières
22. April bis 21. Juni 2015