Fotografien von nicht posierenden Paaren

Paare sind in der Fotografie allgegenwärtig, in historischen Fotoalben ebenso wie auf Instagram. Faszinierender als die unzähligen idealisierenden Selbstdarstellungen sind allerdings jene Aufnahmen, in denen Paare nicht posieren, sondern ganz bei sich und auf eigenartige Weise entrückt scheinen: spielend und werbend, verliebt und berauscht, verzweifelt und haltsuchend. Oder einsam und verloren.

Fotografien von nicht posierenden Paaren sind kleine Offenbarungen, die weit über dokumentarische Momentaufnahmen hinausgehen. Selten tragen Menschen ihre Gefühle und ihre Befindlichkeit so offen zur Schau wie in diesen Szenen der Zweisamkeit, selbst wenn sie zur Einsamkeit wird. Blicke, Mimik, Arme, Hände, Gesten und Körperhaltungen lassen erahnen, dass im Verborgenen Dinge geschehen, zu denen andere keinen Zutritt haben. Die Motivation der Fotografinnen und Fotografen, solche Bilder zu machen, entspringt vermutlich demselben Impuls, derselben Faszination, mit der wir als Betrachterinnen und Betrachter diesen Aufnahmen begegnen: mit einer Mischung aus Schaulust und empathischer Neugier.

Mehr als bei anderen Fotografien neigen wir aber dazu, die realen Ereignisse, die in Paarfotografien festgehalten werden, mit eigenen Projektionen, Erinnerungen, Hoffnungen, Enttäuschungen und Sehnsüchten zu überlagern. Genau aus diesem Grund verzichtet das Projekt "Paare / Couples" darauf, die versammelten Fotografien in den jeweiligen historischen Kontext zu stellen oder ihre Geschichte aufzulösen. Die symbolische und emotionale Kraft dieser Bildkategorie kann sich sogar besser entfalten, wenn nichts über ihren jeweiligen Hintergrund bekannt ist und die (allenfalls prominenten) Namen der abgebildeten Personen nicht von den feinen Signalen eines wortlosen Zwiegesprächs ablenken. Jedes einzelne Bild ist ein Ausschnitt aus einer Geschichte, die rätselhaft bleibt und zu Spekulationen oder Projektionen anregt.

2013 begann der Filmemacher Iwan Schumacher Fotografien von Paaren zu sammeln, die nicht in die Kamera schauen. Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung Schweiz, plante seit langem eine Ausstellung mit Paar-Bildern aus der Sammlung der Fotostiftung. Gemeinsam entwickelten sie das Projekt "Paare / Couples". Die so entstandene Schau und das parallel dazu erscheinende Buch versammeln Paare und Beziehungen im weitesten Sinn. Die Ausstellung erhebt nicht den Anspruch, eine historisch oder gesellschaftlich repräsentative Auswahl von Werken zu vereinen. Es geht weder um eine fotohistorische noch um eine sozialpsychologische Analyse von Paarbeziehungen in der Fotografie. Vielmehr handelt es sich um eine spielerische, assoziative Präsentation, arrangiert von zwei Liebhabern des fotografischen Bildes: Aufnahmen, von denen jede aus einem anderen Film zu stammen scheint, die sich aber insgesamt wieder zu etwas Neuem montieren lassen.

Paare / Couples
Bis 6. Oktober 2024