Fotografien einer Tanzbewegung

Kaum ein Künstler hat den internationalen Tanz so verändert wie der amerikanische Choreograf und Tänzer Merce Cunningham (1919-2009) mit seiner Dance Company. In enger Verbindung mit bildenden Künstlern, Malern, Komponisten, Philosophen, Literaten entwickelte er eine Gesamtsicht auf den Menschen und sein Bewegungsvokabular, das nicht mehr die virtuose Einzelleistung in den Fokus seiner Produktionen stellte, sondern die Dezentralisierung der Bewegung im Raum und die Abstraktion von erzählerischen Inhalten.

Er ist der "Architekt" exakt gezeichneter Konstellationen bei gleichzeitig größtmöglichem Spielraum für Zufall und Improvisation, er ist der Formulierer genau vermessender Zwischenräume trotz des unerschütterlichen Vertrauens in spontane, individuelle Ausdrucksformen seiner Tänzer. Für seine späteren Produktionen bediente er sich bisweilen computergestützter Software für seine konzeptiven Diagramme, mit denen er das physische Potenzial des menschlichen Körpers auslotete, nur um gleichzeitig wieder im kreativen Bereich der Diskrepanz zwischen systematisierten Bewegungsabläufen und sinnlicher performativer Präsenz zu agieren.

Seine Dance Company entwickelte Merce Cunningham aus der Idee heraus, Tänzer zur Verfügung haben zu wollen, die nicht (nur) die klassische Ballettausbildung absolviert haben. Er offerierte seinen Tänzern und Tänzerinnen, besonders in den frühen Produktionen durch sein eigenes Mitwirken als Tänzer, eine neue Welt und ein neues Verständnis von körperlicher Bewegung, jenseits des klischeehaften Tanztheaterrepertoires. Auch das Verhältnis von Musik zu Performance, Bewegung und Interpretation wurde neu definiert: fast ausschließlich zu neuen, zeitgenössischen Musikstücken, oft in Zusammenarbeit mit seinem Freund und Partner John Cage, wurde der Tanz als eine parallel ablaufende und nur punktuell an die Toneindrücke geknüpfte Kunstform gesehen. Daraus entwickelten sich eine Schule und eine Auffassung, die sich in einem immens aktiven Tourneebetrieb wie auch in dem stimmungsvollen Stammhaus der Company, dem Westbeth-Gebäude im Meatpacking District in Lower Manhattan manifestierte.

Die Ausstellung zeigt anhand von rund 200 fotografischen Werken einerseits ein Panorama der tänzerischen Produktion der Merce Cunningham Dance Company in einer Art von Bild-Mosaik mit Leihgaben aus dem Deutschen Tanzarchiv der SK-Stiftung in Köln, und andererseits 3 individuelle fotografische Positionen: James Klosty begleitete als Partner von Merce’s Tanzprotagonistin Carolyn Brown die Company in den Jahren 1968 bis 1972, Anna Finke arbeitete als junge Fotografin in der Kostümabteilung der Company und fotografierte die letzten Produktionen von 2007 bis zum Ende der Company im Jahr 2011. Der weltberühmte Tänzer und Choreograf Mikhail Baryshnikov fotografierte 2006/2007 einige der aktuellen Cunningham-Performances; 11 großformatige Prints seiner farbigen Bewegungsaufnahmen sind in der Ausstellung zu sehen.

Merce Cunningham Dance Company
Fotografien einer Tanzbewegung
28. Juli bis 11. November 2012