Fotografie als Bühne

Die Ausstellung "Das Porträt. Fotografie als Bühne" erzählt eine Geschichte des fotografischen Porträts von den 1980ern Jahren bis heute und untersucht das Verhältnis von Fotograf und Fotografiertem in seinen vielfältigen Erscheinungsformen. Seit seiner Entdeckung, begonnen bei den frühen Daguerrotypien und der Studiofotografie des 19. Jahrhundert, hat das Medium der Fotografie das Bedürfnis der Menschen nach ihrem Abbild befriedigt und die aufwendigere und kostspieligere Malerei weitgehend abgelöst.

Die Ausstellung der Kunsthalle Wien zeigt die Innovationen der jüngsten Fotografiegeschichte auf, in der die Ikonografie des Porträts eine zentrale Rolle spielt. Aus dem bisherigen Kodex ausbrechend und diesen nicht selten ironisch kommentierend, haben die Künstler der letzten Jahre unorthodoxe Strategien des Porträtierens verfolgt. Als Spiegelung der Beziehung zwischen Aufnehmenden und Aufgenommenen – sei diese durch Distanz oder Nähe, Spontaneität oder Inszenierung geprägt – dokumentiert das Porträt auch das physiognomisch zum Ausdruck kommende Selbstverständnis der Menschen. Der Fotograf, hat Peter Hujar einmal gesagt, sei wie ein Arzt vor dem sich der Patient entblößt. Schnappschuss und Mise-en-scène, individueller Star und anonyme Gesellschaft, Einzel- und Gruppenporträts etc. verdeutlichen die unterschiedlichsten Zugangsweisen der vertretenen Fotografen und verdichten sich zu einem Panorama des Menschenbildes von heute.

In der Gegenüberstellung von Robert Mapplethorpe, dessen extreme Stilisierung die Verbindung von Kunst zu Glamour eröffnet und Peter Hujar sowie Nan Goldin deutet sich bereits die Spannung zwischen einer formalistischen Studiofotografie und einem diametral gegenüber stehenden Verismus an, der sich als visuelles Tagebuch liest. Das fotografische Werk von Helmut Newton, der die Modefotografie mit Witz und Distanz revolutionierte ist ebenso vertreten wie dasjenige von Wolfgang Tillmans, dessen intime Aufnahmen von der Nähe zwischen Fotograf und Modell zeugen.

Das Sujet des Porträts, von dem die Fotografie ihren Ausgang nahm, besitzt auch bei jüngeren Künstlern eine hohe Aktualität. Zur Diskussion steht dabei ebenso eine Fotografie, die aus der analogen Tradition hervorgeht und sich der Möglichkeiten digitaler Bearbeitungen und Korrekturen bedient. Der Bruch oder Übergang zum digital generierten oder verfremdeten Porträt wird durch Valérie Belin vertreten, deren Modelle sich der Ausdrucksqualität von Schaufensterpuppen annähern.

Anthony Gayton reproduziert die Ästhetik historischer Fotografie des 19. Jahrhunderts, in denen das Porträt zur Fiktion wird. Die Bildwürdigkeit des Gegenübers und der Blick des Fotografen auf sein sorgfältig selektiertes oder zufällig gefundenes "Objekt" verknüpfen sich in den Bildern dieser Porträtgalerie, die den Begriff des Porträts auf unterschiedlichsten Ebenen berühren und erweitern. Die Fotografie wird zur Bühne, auf der der Mensch von heute in der Inszenierung mehrerer Generationen erscheint.

Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung: Roger Ballen, Tina Barney, Valérie Belin, Dirk Braeckman, Clegg & Guttmann, Andrea Cometta, Anton Corbijn, Rineke Dijkstra, Amy Elkins, JH Engström, Bernhard Fuchs, Alberto Garcia-Alix, Luigi Gariglio, Anthony Gayton, Nan Goldin, Greg Gorman, Katy Grannan, Jitka Hanzlová, Peter Hujar, Jean-Baptiste Huynh, Leo Kandl, Barbara Klemm, Gerhard Klocker, Andreas Mader, Sally Mann, Robert Mapplethorpe, Hellen van Meene, Helmut Newton, Judith Joy Ross, Thomas Ruff, Stefano Scheda, Beat Streuli, Wolfgang Tillmans


Katalog: Der zur Ausstellung im Verlag für moderne Kunst Nürnberg erscheinende Katalog wird Abbildungen der gezeigten Werke sowie Essays von Peter Weiermair und Ulrich Pohlmann über Phänomen, Geschichte und Aktualität der Porträtfotografie aber auch Selbstzeugnisse der vertretenen Künstler enthalten.

Das Porträt. Fotografie als Bühne
3. Juli bis 18. Oktober 2009, Halle 2