Fotoarbeiten von Kerstin Flake und Benoît Grimbert

Mit der Ausstellung "Kerstin Flake / Benoît Grimbert" führt der Fotohof in Salzburg zwei internationale Positionen zusammen, deren geistige Verwandtschaft sich vielleicht erst auf den zweiten Blick zu erkennen gibt.

Kerstin Flake inszeniert als Regisseurin und Bühnenbildnerin in einer Person bizarre Stücke. Während in ihren Bildserien die Gesetze der Physik nur bedingt zu gelten scheinen, gleichen Benoît Grimberts präzise Fotografien einer nahezu archäologischen Untersuchung urbaner Räume. In seinen Arbeiten knüpft er Verbindungen zwischen den abgebildeten Orten und den Biographien ikonischer Persönlichkeiten wie Ian Curtis, Nico, Jim Morrison und Charles Manson und lässt so zeitliche Schichtungen durcheinander geraten. Es entsteht ein Konglomerat aus Mythen der Popkultur und der Geschichte der Fotografie, welches die Evokation innerer Bilder und zugleich ihre Dekonstruktion zu besorgen scheint. In Kerstin Flakes rätselhaften Arrangements treten meist aus der Zeit gefallene Artefakte miteinander in Dialog. Spielerisch vermengt sie Vergangenes und Gegenwärtiges, bezweckt durch den Einsatz grundlegender fotografischer Gestaltungsmittel die Auflösung von Perspektive und Bedeutung.

Ihre "Spielstätten" findet Kerstin Flake in verlassenen Wohnungen, in leeren Geschäften, an einsamen Ostseestränden, in glanzlosen Städten des amerikanischen "Midwest" und in der Architektur am Bauhaus Dessau, wo die Künstlerin 2022 im Meisterhaus Muche zu Gast war. Kerstin Flake entwirft große und kleine Szenarien, in denen sie sich mitunter auch selbst ins sorgsam gebaute Set einbringt. Obwohl sie der präzisen Abbildung mittels analoger und digitaler Aufnahmeverfahren vertraut, überwindet sie in ihren Bildern spielerisch die Gesetze der Schwerkraft. Lange Belichtungszeiten lassen Gegenstände und Personen in Bewegung geraten und miteinander verschmelzen. Kalkül und Zufall ergänzen sich im performativen Auftritt der Künstlerin mit "leblosen" Dingen, welchen sie Leben einzuhauchen scheint. Die einzelnen Wandarbeiten in unterschiedlichen Größen und Formaten treten als die Bildserien "Fake Spaces" (2006–2009), "Shaking Surfaces" (2018–2021) und "Unsteady Stages" (2022/23) untereinander in Dialog und in Beziehung mit freistehenden Objekten und raumgreifenden Videoinstallationen und erzeugen ein fein texturiertes Netz aus vibrierenden, rotierenden Bewegungen, eine Choreographie geradezu spukhafter Momente, in welchen die Dinge des Alltags aus dem Lot geraten und geisterhaft durch den Bühnenraum wirbeln.

Auch Benoît Grimberts Blick richtet sich auf urbane Szenerien als Bühnen vielschichtiger historischer Prozesse und Erzählungen. Mittels präzise komponierter, dokumentarisch anmutender, Fotografien betreibt er in seinen Arbeiten nicht nur eine genaue, visuelle Untersuchung gebauter Räume und Landschaften, sondern begibt sich auf eine, in gleichem Maße metaphysisch wie kriminalistisch anmutende Spurensuche. In seiner jüngsten Arbeit "Horse Latitudes" (2014–2023) werden Jim Morrisons und Charles Mansons sagenhaft miteinander verbundene Biografien zu Dreh- und Angelpunkten einer, die Ergebnisse seiner fotografischen Erkundungsreise mit historischen Textfragmenten und popkulturellen Artefakten vermengenden Erzählung über eine nicht allzu ferne, aber in höchstem Maße mythische Vergangenheit. Die Bilder, welche diese Erzählung speisen, mäandern dabei irgendwo zwischen dokumentarischem Faktum und spiritistischer Geister-Fotografie. Sie zeigen Tatorte, deren Tote längst in den Hades popkultureller Mythologie entschwunden sind und bedienen sich einer fotografischen Sprache, deren Referenzen wohl ähnlich ikonisch sind, wie jene legendären Protagonisten, denen sich Benoît Grimbert künstlerisch anzunähern sucht.

Kerstin Flake (*1967 in Karlsruhe) lebt und arbeitet in Leipzig.

Benoît Grimbert (*1969 in Mantes-la-Jolie) lebt und arbeitet in Paris.

Kerstin Flake / Benoît Grimbert
2. Februar bis 30. März 2024
Eröffnung: Donnerstag, 1. Februar 2024, 19:00 Uhr