Festival "Steirischer Herbst" präsentiert Retrospektive-Website

Das seit 1967 jährlich stattfindende interdisziplinäre Festival "Steirischer Herbst" präsentiert eine neue, umfassende Website, die sich seiner reichen Geschichte widmet und sein reorganisiertes und an internationale Standards angepasstes Archiv für die Öffentlichkeit, Studierende und Forschungsstipendiatinnen und Stipendiaten zugänglich macht.

Das Archiv und Recherchezentrum des "Steirischen Herbst" ist eine Einrichtung zur Archivierung, Dokumentation und wissenschaftlichen Bearbeitung von Text- und Bildquellen zur modernen und zeitgenössischen Kunst. Der Schwerpunkt liegt auf der Geschichte des Festivals – eine fortwährende Geschichte mit Umbrüchen, die retrospektiv permanent neu eingeordnet und interpretiert wird. In den Archivräumen befinden sich eine Präsenzbibliothek, ein Pressearchiv, ein Aktenarchiv und ein Medienarchiv.

Der "Steirische Herbst" entstand im Kontext der europäischen Neo-Avantgarde der Nachkriegszeit und weist Ähnlichkeiten zur dreizehn Jahre zuvor gegründeten "Documenta" auf. Beide waren lokale Initiativen an der Grenze zum Osten (die in Österreich durchlässiger war als in Deutschland), vor dem Hintergrund einer nicht vollständig aufgearbeiteten NS-Vergangenheit. Anders als die "Documenta" war der "Steirische Herbst" als interdisziplinäres Festival gedacht und hatte zu Beginn keine einzelne Programmverantwortliche. Das Festival wurde zuerst von einem Programm-Kuratorium beziehungsweise Programm-Direktorium geleitet, ab 1983 dann von Intendantinnen und Intendanten, die nicht als Kuratorinnen und Koratoren bezeichnet wurden, obwohl sie diese Funktion erfüllten. In seiner Geschichte hat sich der "Steirische Herbst" zeitweise auf so unterschiedliche Bereiche wie Zirkus, Design, Oper oder Medien konzentriert. Vielleicht wurde er deshalb noch nicht in der Geschichte des Kuratierens berücksichtigt, die in den letzten Jahren zu einem wichtigen, wenn nicht zum wichtigsten Teil der zeitgenössischen Kunstwissenschaft geworden ist.

Die zweisprachige (Deutsch/Englisch) Retrospektive-Website, abrufbar unter www.archiv.steirischerherbst.at, will in dieser Hinsicht Fortschritte machen und präsentiert Texte über verschiedene kuratorische Perioden sowie Übersichten zu einzelnen Ausgaben, verfasst von der unabhängigen Kuratorin und Kritikerin Eva Scharrer. Biografien von Intendantinnen, Informationen über verschiedene Nebenprojekte und Festivals im Festival, die einst Teil des "Steirischen Herbst" waren, sowie reichhaltiges kommentiertes Bildmaterial (Fotos und Videos) ergänzen die Website-Inhalte. Das Datenbank- und Suchsystem, das 2017 auf Deutsch online ging, wurde für dieses Vorhaben ausgebaut. Die Website wird stetig erweitert und für künftige Ausgaben aktualisiert.

Mit dem kürzlich initiierten Programm für Universitäten möchte das Festival einen weiteren Schritt nach Außen wagen und die Kluft zwischen Theorie und Praxis schließen. Das Programm ist als eine Zusammenarbeit zwischen dem "Steirischen Herbst" und unterschiedlichen kunst- und kulturwissenschaftlichen Abteilungen an österreichischen Universitäten konzipiert. Gemeinsam werden diskursive Veranstaltungen organisiert und Workshops mit und von Expertinnen abgehalten, die für das Festival arbeiten, um tiefer in die Themen und Kunstproduktionen des Steirischen Herbst einzutauchen. Die Kollaborationen laufen über das gesamte Jahr, Veranstaltungen finden auch außerhalb der Festivalzeiten statt. Im Zusammenhang mit diesem Programm werden internationale Stipendien für Forschende und Künstlerinnen ausgeschrieben. Mit Milan Hrbek, Dissertant an der Akademie der Wissenschaften in Bratislava, konnte das Festival im Herbst 2021 bereits seinen ersten Fellow begrüßen.