Das Kunstmuseum St.Gallen zeigt eine umfassende Gruppe von Künstler:innen, welche sich kritisch mit der Familie als Tradition, Idee und Lebensform auseinandersetzt.
Die Familie wird in der zeitgenössischen Kunst selten zum Thema. Während feministische Künstler:innen ihre Rollen als Frau, Mutter, und Betreuungsperson beleuchteten, bleibt es um die Familie seltsam still. Sie ist zwar ein etabliertes Genre in der Fotografie und das Familienportrait hat eine lange Tradition in der Malerei – eine kritische Bearbeitung, die über eine blosse visuelle Repräsentation hinausgeht, hat bisher jedoch kaum stattgefunden. Es scheint fast so, als ob sich die Familie so tief in unserer Realität als eine unumstössliche Instanz eingenistet hat, dass eine solche Auseinandersetzung nicht zulässig ist. Wir leben in einer Zeit, in welcher Institutionen und Werte radikal infrage gestellt werden, nur, so scheint es, die Familie nicht. Die Ausstellung im Kunstmuseum St. Gallen erhebt den Anspruch, das zu ändern.
Die thematische Schau versammelt wichtige Arbeiten, u.a. von Pionierkünstlerinnen wie Louise Bourgeois, Mary Kelly, Bobby Baker und PINK de Thierry und zeigt sie im Dialog mit zukunftsweisenden Kunstwerken einer jüngeren Generation von, zum Beispiel Rhea Dillon, Kyoko Idetsu und Lebohang Kganye. Das kuratorische Konzept geht einen Schritt weiter als bisherige Ausstellungen, die sich einzelnen Aspekten der Familie – wie zum Beispiel der Eltern-/Mutterschaft und der Wahlfamilie/Regenbogenfamilie – widmeten, indem die (Kern-)Familie als eigentliches Tabuthema in der zeitgenössischen Kunst umfassender und grundsätzlicher angegangen wird.
Die folgenden Fragen stehen dabei im Zentrum der Ausstellung: Was bedeutet familiäres Zusammenleben jenseits der Familienwelt, der wir in Fernsehen und Werbung so oft begegnen? Was sind die Schwierigkeiten, die Eigenheiten und die spezifische Qualität des Zusammenlebens in einer Familie? Wie ist die Familie im System unseres Zusammenlebens verankert? Ist die Familie ein Problem? Wie können wir uns ein Leben jenseits der traditionellen Auffassung von Familie vorstellen?
"Burning Down the House. Rethinking Family" ist die erste internationale, umfassende Gruppenausstellung auf musealem Niveau, welche auf die Familie aus heutiger Sicht fokussiert und diese zugleich in Frage stellt. Damit leistet sie zusammen mit der ausstellungsbegleitenden Publikation einen wichtigen kunsthistorischen Beitrag in der Aufarbeitung dieses Themas und knüpft an den aktuellen Diskurs der "Family Abolition" (zu welchem Autor:innen wie z.B. Sophie Lewis beigetragen haben) an.
Burning Down the House. Rethinking Family
Bis 8. September 2024
Kuratiert von Melanie Bühler, Senior Curator, Kunstmuseum St.Gallen