Europas beste Bauten - Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur

Der mit insgesamt 90.000 € dotierte Preis EUMies Awards (60.000 € Hauptpreis / 30.000 € Emerging Architecture-Preis) ist der wichtigste europäische Architekturpreis. 362 Projekte aus 38 Ländern wurden von lokalen Expert:innen nominiert und von einer internationalen Jury eingehend gesichtet. Die Auswahl ist ein Seismograf aktueller gesellschaftlicher Prozesse. Mit neuen Nutzungskonzepten, kollektiven Wohnformen, Kreislauffähigkeit und dem ressourcenschonenden Weiterbauen von Bestand geben die Projekte beispielgebende Antworten auf drängende Fragen wie Klimakrise und soziale Polarisierung.

2024 geht der Hauptpreis erneut an einen Bildungsbau: Das Studierendenhaus auf dem Campus der TU Braunschweig von Gustav Düsing und Max Hacke bietet eine flexible und innovative Lernumgebung, die den sozialen und fachlichen Austausch fördert. Die schlanke Stahl-Holz-Hybridkonstruktion ist vollständig demontierbar. Neben der Möglichkeit, das Gebäude durch weitere Plattformen zu verdichten, kann es auch in anderer Form oder an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden. Gewinner des Nachwuchspreises "Emerging Architecture 2024" ist die Bibliothek Gabriel García Márquez in Barcelona von SUMA Arquitectura (Elena Orte und Guillermo Sevillano). Das skulpturale Gebäude belebt das seit langem benachteiligte Arbeiter:innenviertel und schafft eine offene städtische Lounge, die von Besucher:innen wie Bewohner:innen sofort angenommen wurde.

"Wie schaut eine Architektur für die Klimawende aus? Wird sie neben neuen Bauweisen auch neue Ästhetiken bringen? Europas beste Bauten überzeugen sowohl mit extrovertierten als auch nüchternen Antworten", so Angelika Fitz, Direktorin des Az W. Der Schulneubau für das Colegio Reggio in Madrid von Andrés Jaque gleicht einer Assemblage verschiedener Klimazonen, Ökosysteme und architektonischer Traditionen. Dagegen hinterlässt die Sanierung des Tourismusinfogebäudes und Neugestaltung des Dorfplatzes im portugiesischen Piódão von Branco del Rio den Eindruck, als sei alles hier immer schon so gewesen. Der öffentliche Raum und Garten Hage im schwedischen Lund stellt den Beginn eines Stadtentwicklungsgebietes dar und wird sich über die Zeit vom Objekt in der Landschaft zur Leerstelle im städtischen Gefüge entwickeln. Bei der Transformation eines verfallenen Schlachthofes im tschechischen Ostrava zu PLATO, städtische Galerie für zeitgenössische Kunst, von KWK Promes wurde der kontaminierte Raum rund um das Gebäude in einen biodiversen Kunstpark verwandelt. Die Revitalisierung des Klosters von Saint-François auf Korsika von Amelia Tavella Architects setzt auf die poetische Kraft von Architektur.

Was diese und viele weitere Projekte der Ausstellung neben ihrer hohen architektonischen Qualität auszeichnet ist, dass sie neue Wege der gestalterischen Verantwortung beschreiten, auf kollektives Handeln setzen sowie sich mit zirkulären Wertschöpfungsketten und durchdachten Bauprozessen beschäftigen. Aus den 362 nominierten Projekten aus 38 europäischen Ländern hat die hochkarätige, internationale Jury unter Vorsitz des französischen Architekten Frédéric Druot insgesamt 40 Projekte in die Shortlist gewählt, die nun Teil der Ausstellung sind. Darunter fünf kollektive Wohnbauten, sieben Kultureinrichtungen und sechs Projekte mit gemischter Nutzung. Auch zwei Projekte aus Österreich sind Teil der Auswahl: das Stadthaus Neubaugasse von PSLA Architekten und IKEA Wien Westbahnhof von Querkraft Architekten.

Das Architekturzentrum Wien ist seit vielen Jahren als Mitglied des Advisory Boards an der Ausgestaltung des Mies van der Rohe Awards beteiligt. Die Ausstellung vermittelt die hohe Qualität der Projekte anschaulich in Modellen, Videos, Fotos und Plänen. Neben den 40 Projekten der Shortlist werden im Az W auch die 14 österreichischen Nominierungen gezeigt.

Zum Mies van der Rohe Award

Hauptanliegen des Mies van der Rohe Awards ist die Anerkennung und Würdigung herausragender Verdienste im Bereich der Architektur innerhalb Europas. Es werden Projekte ausgezeichnet, deren innovativer Charakter als Orientierung, wenn nicht sogar als Manifest für die Entwicklung zeitgenössischer Architektur dient. Der mit insgesamt 90.000 € dotierte Preis (Hauptpreis: 60.000 €, Emerging Architecture-Preis: 30.000 €) wird für außergewöhnliche Leistungen in konzeptueller, technischer und baulicher Hinsicht verliehen. Der Emerging Architecture-Preis versteht sich dabei auch als Förderung des Berufsstandes an sich und als Ermutigung für Architekt:innen am Beginn ihrer Karriere.

Preisträger „Mies van der Rohe Awards 2024“

Studierendenhaus der TU Braunschweig, Deutschland
Architektur: Gustav Düsing, Büro Max Hacke
Das Studierendenhaus konnte mit der Schaffung einer flexiblen und innovativen Lernumgebung überzeugen, die den sozialen Austausch, das Entstehen von interdisziplinärem Wissen und den Dialog zwischen Studierenden und Lehrenden fördert. Das zweistöckige Gebäude aus weißem Stahlrahmen und Glas ist ein leichtes, luftiges und filigranes Bauwerk. Die dezentrale Erschließung über neun Eingänge und neun Treppenbereiche gliedert den Raum und es verschmelzen Verkehrs- und Nutzflächen miteinander. Der rund 1.000 Quadratmeter große Pavillon mit Platz für bis zu 200 Studierende zeichnet sich durch technische Raffinesse in Verbindung mit einem hohen Maß an Abstraktion und visueller Reduktion aus. Die schlanke Stahl-Holz-Hybridkonstruktion ist vollständig demontierbar und folgt dem Prinzip des "Design for Disassembly" – kann also jederzeit erweitert, verändert und andernorts aufgebaut werden.
Außerdem ist das Gebäude ein seltenes Beispiel für zirkuläres Bauen, da Bauteile nur punktuell verschraubt und nicht verklebt und damit wiederverwendbar sind. Gustav Düsing und Max Hacke haben ihr Studio erst 2015 gegründet und sind damit die jüngsten Gewinner des EUmies Awards.

Nachwuchspreis „Emerging Architecture 2024“

Bibliothek Gabriel García Márquez in Barcelona, Spanien
Architektur: SUMA Arquitectura (Orte Elena, Sevillano Guillermo)
Die Bibliothek Gabriel García Márquez in Barcelona trägt zur Umgestaltung des benachteiligten Arbeiterviertels Sant Martí bei, indem sie sich als neuer öffentlicher Raum nach außen und innen öffnet. Mit einer begrenzten Anzahl von tektonischen Ressourcen wurde hier eine große Vielfalt von Räumen geschaffen, die einen einheitlichen Eindruck vermitteln. Die Lese-, Arbeits- und Begegnungsräume sind rund um die vertikale Verteilerhalle über die Geschosse verteilt und überzeugen mit jeweils eigenständigem, ihrer Funktion entsprechendem Charakter. Durch Hinterfragen klassischer Bibliotheksmodelle schaffen die Architekt:innen ein Raumprogramm das Zugang, Austausch und Produktion von Wissen ganzheitlich fördert.

Finalisten „Mies van der Rohe Awards 2024“

Colegio Reggio in Madrid, Spanien
Architektur: Andrés Jacque / Office for political Innovation
Die Reggio-Schule außerhalb von Madrid schafft für die Schüler:innen einen großzügigen Mikrokosmos aus Natur, Luft, Pflanzen, Insekten und Vögeln und entspricht gänzlich dem pädagogischen Konzept, wonach die Schulumgebung Neugier wecken und kollektives Lernen fördern soll. Das Projekt weist eine lebendige Bildsprache und eine Dramaturgie verschiedener Materialien und räumlicher Elemente auf sowie die ständige Präsenz der Natur. In einem partizipativen Prozess wurden offene Räume, eine üppige Vegetation im Inneren und Gärten für Insekten und Vögel entworfen und gestaltet – Elemente, die diese Schule zum idealen Ort machen, um über die Interaktion mit der Natur zu lernen.

HAGE in Lund, Schweden
Architektur: Brendeland & Kristoffersen architects
Hage im schwedischen Lund erscheint als zeitlose Architektur – auf einem weitläufigen Feld entstanden drei Mauern und eine Dachkonstruktion. Hage bietet einen sozialen Raum an, dessen Funktion sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln wird. Errichtet auf kircheneigenem Land inmitten eines entstehenden Stadtentwicklungsprojekts, schützt Hage einige der letzten Reste des reichhaltigsten Bodens Schwedens. Mit der zunehmenden Bebauung um die Konstruktion herum wird es zu einem Symbol für jene Dinge, die durch ewiges wirtschaftliches Wachstum verloren gegangen sind. Als undefinierter Raum, der von den zukünftigen Bewohner:innen programmiert und genutzt werden kann, wohnt dem Projekt vorsichtiger Optimismus inne. Zudem enthält es eine radikale Idee für die Stadtentwicklung: den ersten Teil bewusst leer zu lassen.

Revitalisierung des Klosters von Saint-François in Sainte-Lucie-de-Tallano, Korsika
Architektur: Amelia Tavella Architectes
Das Gebäude, das hoch oben auf einem Felsvorsprung gelegen ist, war ursprünglich eine Verteidigungsburg, bevor es zu einem Ort des Gebets und der Einkehr wurde. Innerhalb des Gebäudes hat sich die Natur zwischen den Steinen ausgebreitet und in eine Panzerung aus Pflanzen verwandelt, die vor Erosion und Einsturz schützt. Amelia Tavella hat diese Natur in Ehren gehalten und sich entschieden, die Ruinen zu erhalten und den abgerissenen Teil durch ein Bauwerk aus Kupfer zu ersetzen, das als Maison du Territoire [Kommunalverwaltung] genutzt wird.

PLATO Städtische Galerie für zeitgenössische Kunst in Ostrava, Tschechien
Architektur: KWK Promes
Bei der Transformation des verfallenen Schlachthofes in der tschechischen Stadt Ostrava zu PLATO Städtische Galerie für zeitgenössische Kunst wurden die abgerissenen Gebäudeteile und klaffenden Wunden in der Fassade durch Mikrobeton gefüllt, wobei die historische Ornamentik der Backsteinwände erhalten blieb. Der zentrale Gedanke lautete, die Funktionalität dieser "Öffnungen" als schnelle Verbindungen zur Stadt zu erhalten. Dank drehbarer Wandabschnitte können die Ausstellungsräume nach außen erweitert werden. Der kontaminierte Boden im Außenbereich wurde saniert und ein artenreicher Park mit wasserdurchlässigen Böden, Blumenwiesen und Rückhaltebecken angelegt.

Finalist des Nachwuchspreises „Emerging Architecture 2024“

Dorfplatz und Touristeninformation in Piódão, Portugal
Architektur: Branco del Rio
Der Dorfplatz von Piódão in Zentralportugal war über die Jahre zum Parkplatz verkommen und hatte seine einstige Funktion als Treffpunkt und Aufenthaltsort verloren. Das Projekt umfasste sowohl die Umgestaltung des Platzes in eine verkehrsfreie Zone sowie die Sanierung des Tourismusinformationsgebäudes. Branco del Rio befreiten den Platz von Autos und anderen Hindernissen und definierten den Raum neu. Die vorhandenen Bäume, die Statue und die öffentliche Beleuchtung wurden allesamt beibehalten. Die verwendeten Materialien stammen aus der näheren Umgebung und auch die Verarbeitung dieser entspricht der lokalen Bautradition, wodurch das Gefühl entsteht, als sei alles schon immer so gewesen.

Eine Ausstellung der Fundació Mies van der Rohe, Barcelona und der Europäischen Union.

Europas beste Bauten
Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur
Mies van der Rohe Awards 2024
3. Oktober 2024 bis 20. Jänner 2025 | Ausstellungshalle 2