Es funktioniert auch logistisch hervorragend: in der Werkstattbühne "Unmögliche Verbindung", das Auftragswerk an Ondřej Adámek; im Seestudio die Uraufführung von Marcus Nigschs "Landkarte eines Verbrechens" und auf der Seebühne die gelungene Inszenierung des "Freischütz" – alles am selben Sonntag.
Die Blackbox der Werkstattbühne hat mit der Erweiterung des Festspielkomplexes ein Foyer dazubekommen, und eine Blackbox wird wiederum als Ausgangs- bzw. Schlusspunkt für das performative Musiktheater hineingestellt. "Unmögliche Verbindung" ist der Titel der Uraufführung und bohrt in fünfzehn musikalischen "Gedichten" die Stellen an, wo Kommunikation scheitert, erschwert oder verhindert wird. Der tschechische Komponist und Dirigent Ondřej Adámek versucht hier eine auch für ihn neue Art des Komponierens mit der Einbindung der Musiker:innen des Ensemble Modern in den kreativen Prozess von Anfang an, und die Ebene des Textes sowie die theatrale Dimension sind der musikalischen ebenbürtig. Für den Regisseur und Autor Thomas Fiedler ist "Musiktheater immer ein utopischer Raum, in dem man im besten Fall für den Moment etwas an Emotionalität oder auch Erfahrung spürbar machen kann". Wie das Publikum dies allenfalls auf eine eigene Realität überträgt, wird durch die hochkommenden eigenen Assoziationen, Erfahrungen und Gefühle erlebbar. Unmittelbar findet man sich dann tatsächlich gebannt in den ausgebreiteten Aktionsfeldern wieder, in denen die Kommunikationsversuche stattfinden.
Im holzgetäferten Seestudio mit dem bodenbündigen Fensterband, wo Abendsonne und Spiegelungen des Sees hereinschimmern, findet traditionell die Reihe Musik und Poesie statt. Mehrfach war der "Meister des Erzählens" Michael Köhlmeier hier schon zu Gast, diesmal dient sein jüngst erschienener Gedichtband "Landkarte eines Verbrechens" als Textvorlage für den Vorarlberger Komponisten Marcus Nigsch, der davon 23 Sequenzen in einen Liederzyklus für ein Kammermusikensemble, Mezzosopran (die Vorarlbergerin Corinna Scheurle singt an bedeutenden Opernbühnen Deutschlands), Bariton (Maximilian Krummen, ausdrucksstark und sehr gut harmonierend) sowie Erzähler (Köhlmeier himself) vertont. „Als Popstar stürmte er in jüngeren Jahren die Hitparade. Inzwischen hat er umgesattelt und komponiert zeitgenössische klassische Musik, von einer Unmittelbarkeit und Virtuosität, die begeistert“, wird Marcus Nigsch attestiert (z.B. FAZ) und neben einer hervorragenden handwerklichen Meisterschaft auch eine unglaubliche Fülle an Kreativität und Ideenreichtum (Jury Vorarlberger Kunstkommission). Das Publikum in Bregenz darf sich schon auf ein weiteres Highlight freuen: im Rahmen der Meisterkonzerte (24.1.25) wird sein jüngst komponiertes Cellokonzert mit den Wiener Symphonikern und dem in Vorarlberg aufgewachsenen Star-Cellisten Kian Soltani aufgeführt.
Und am See – die Oper "Der Freischütz", in einer üppig-fantasievollen Inszenierung von Philipp Stölzl. Die großen Umbauarbeiten im Festspielhaus betrafen vor allem die Seebühne. Auch die Zuschauertribüne wurde komplett erneuert und auf annähernd 7.000 Plätze erweitert. Und das ist schon imposant, wie viele Menschen hier mit einer Opernaufführung erreicht und wirklich begeistert werden können. Abgesehen davon, dass in Bregenz in der höchsten technischen Liga – die Akustik ist einzigartig, da können die anderen Freiluftbühnen nicht mithalten! – gespielt wird, gelingt bei den Festspielen doch immer Erstklassig-Außergewöhnliches. Philipp Stölzl geht recht rigoros an die Neuinterpretation des Opernklassikers von Carl Maria von Weber, lässt die Dialoge neu schreiben und die diabolische Gestalt Samiel als Erzähler, Kommentator und natürlich in seiner Rolle die Geschehnisse dramatisieren. Es funktioniert, die Effekte und Szenen sind spannend, abwechslungsreich, aber sehr triefend nass (jede und jeder muss immer wieder bis zur Hüfte ins Wasser … und erst die Synchronschwimmerinnen!). Die musikalische Qualität des Dargebotenen garantiert zweifellos echtes Musiktheater und die aufwändige, spektakuläre Inszenierung Breitenwirkung.
Unmögliche Verbindung
Musiktheater von Ondřej Adámek (2024)
Konzeption von Thomas Fiedler und Ondřej Adámek
Werkstattbühne, Festspielhaus
Musik und Poesie
Landkarte eines Verbrechens
Marcus Nigsch, Liederzyklus auf Gedichten von Michael Köhlmeier für Mezzosopran, Bariton, Erzähler, Klarinette, Streichtrio und Kontrabass
Seestudio, Festspielhaus
Der Freischütz
Carl Maria von Weber
Romantische Oper in drei Aufzügen (1821)
Libretto von Friedrich Kind nach der gleichnamigen Erzählung von August Apel (1810)
Dialogfassung von Jan Dvořák nach einem Konzept von Philipp Stölzl
Zusatzmusik von Ingo Ludwig Frenzel
Seebühne, Festspielhaus