Die Zürcher Druckwerkstatt von Thomi Wolfensberger gilt als eine der renommiertesten Adressen für den Steindruck weit über die Schweizer Landesgrenzen hinaus.

Was passiert genau, wenn Kunstschaffende mit dem Drucker vor Ort in einen Dialog treten? Drei Jahre lang beobachtete ein transdisziplinäres Forschungsteam die erlernten wie intuitiven Abläufe bei der Herstellung von künstlerischer Druckgraphik und dokumentierte diese auf vielfältige Art und Weise. Die Untersuchung fand im Rahmen des SNF-Projekts "Hands-on. Dokumentation künstlerischtechnischer Prozesse im Druck" (2018-2021) der ZHdK statt. Für die mehrwöchigen Residencies wurden drei Schweizer Künstler:innen eingeladen: Dominik Stauch, Sabine Schlatter und Michael Günzburger. Anhand der entstandenen graphischen Blätter bietet die Ausstellung nicht nur eine eigentliche Leistungsschau der Lithographie. Dank ihrer partizipativen Ausrichtung kann auch ein fundiertes Wissen über diese traditionelle Drucktechnik vermittelt werden.

Drucken bedeutet, verkürzt gesagt, Farbe indirekt aufs Papier zu übertragen. Allein das Hantieren mit Farbe umfasst bereits eine ganze Palette an spezifischen Tätigkeiten: Farbe muss bestimmt, gemischt, auf den Stein aufgetragen werden. Sie wird korrigiert, geklopft, mattiert, deckend oder geschmeidig gemacht. Je nachdem kommt beim eigentlichen "Farbe-Drucken" auch etwa das sog. "Farbe-Ausziehen" vor. Über 700 Begriffe hat das SNF-Projekt im Zusammenhang des lithographischen Druckprozesses definiert, um die unzähligen Arbeitsschritte und Handgriffe von Drucker und Künstler:in beim Entstehen einer Lithographie zu beschreiben.

Die Ausstellung in der Graphischen Sammlung präsentiert nun einerseits eine Auswahl aus dem umfangreichen Archiv von "Artefakten", die entstanden sind: von Druckvorlagen und Ausziehbögen über Schablonen und Farbtests bis zu Probe- und finalen Auflagedrucken – alles wurde genauestens inventarisiert und aufbewahrt. Andererseits kann der Prozess des Druckens für einmal multiperspektivisch erfahrbar gemacht werden. Das Projektteam hat das Geschehen nicht nur mit Hilfe von Kameras und ethnographischen Notaten festgehalten, sondern auch ein "Prozessvokabular" für das Erfassen der einzelnen Handhabungen entwickelt. Alle gesammelten Daten fanden Eingang in einem "User Interface", einer Benutzerschnittstelle, die alle Beobachtungen, Texte und Gespräche sowie das komplette Inventar der Werkstatt mit all ihren Maschinen, Instrumenten und Materialien digital für das Publikum zugänglich macht.

Nicht zuletzt dürfen die Besucher:innen dieses Mal auch selbst Hand anlegen. Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, einen Teil des Archivmaterials, das in Archivboxen bereitgestellt wird, allein oder in fachlicher Begleitung zu erkunden und damit den Druckprozess im Detail nachzuvollziehen. In einer "Schule des Beobachtens" soll das Beobachtete sowie das Beobachten selbst zudem breit diskutiert und damit auch zentrale Momente im technischen und schöpferischen Prozess kennengelernt werden.

"On Observing the Printing. Dokumentation lithographischer Druckprozesse"
Einblick in das SNF-Projekt: » https://hands-on.zhdk.ch
7.–23. Dezember 2022; 3. Januar–5. März 2023

Graphische Sammlung der ETH
Rämistrasse 101
CH - 8092 Zürich

W: http://www.gs.ethz.ch/

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Beobachtungssituation in der Steindruckerei Wolfensberger: Mara Züst im Interview mit Sabine Schlatter, Piet Esch hinter der Kamera, 14. Januar 2020, 15:55 Uhr, Foto: Christoph Schenker © ZHdK
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Filmstill aus den Videoaufnahmen des Farbmischens im Rahmen des Aufenthaltes von Michael Günzburger 11. Januar 2021, 9:55 Uhr,  Kamera: Piet Esch © ZHdK
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Miriam Cahn, Ohne Titel (Gesicht), Blatt aus "soldaten, frauen +tiere", 1995, Kaltnadel und Schmirgelpapier auf Velin, 36.8 × 27.6 cm,  Graphische Sammlung ETH Zürich / © Miriam Cahn, Inv.- Nr. 2008.661.1
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Rembrandt Harmensz. van Rijn, Die Muschel, 1650, Radierung, Kaltnadel und Kupferstich, 9.9 × 13.4 cm,  Graphische Sammlung ETH Zürich, Inv.- Nr. 1252
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