Die wahrnehmbare Welt und die subjektive Erfahrung - Verstrickte Ereignisse

Inmitten eines allgegenwärtigen Misstrauens gegenüber der Wirklichkeit, wird das Feld der wahrnehmbaren Welt immer enger an die subjektive Erfahrung gebunden. Die in "Entangled Events" (dt. verstrickte Ereignisse) vereinten Werke junger, in der Schweiz aktiver Kunstschaffender widmen sich diesem Verhältnis, um anstelle der fortschreitenden Abspaltung, eine Annäherung zu versuchen.

Die für die Ausstellung entstandenen Arbeiten rücken das Schwanken des Subjekts, das sich sowohl als Individuum wie auch als Teil einer Gesellschaft versteht, in den Vordergrund. In Form von Videos, Installationen und performativen Momenten wird den Zusammenhängen und Verstrickungen einzelner Ereignisse nachgespürt. Ereignisse, die sich in den Werken nicht zu festgeschriebenen Wahrheiten, sondern zu einem stetigen Prozess des Werdens zusammenfügen. Die Künstler:innen dokumentieren und inszenieren Phänomene und zeigen dabei auf, wie singuläre Momente Produkte kollektiver Beziehungen sind und sich zugleich jede Kollektivität durch singuläre Erscheinungsformen konstituiert. Dadurch wecken sie Aufmerksamkeit für eine gemeinsame Welt sowie ihre dynamische Konfiguration.

Ausgangspunkt der neuen Arbeit von Camille Aleña bildet die Geschichte über die Begegnung zweier antagonistischer Jugendgruppen in Rom, die sie filmisch zu einer eigenen Erzählung verdichtet. Fragen zur Wirkung des Erzählens werden dabei ebenso aufgeworfen, wie Fragen zur Bedeutung von Dokumentation und Inszenierung. Mohamed Almusibli bedient sich seinerseits der Imagination, um Zugang zu vergangenen Ereignissen herzustellen. Eine Familiengeschichte, die nie dokumentiert wurde, verwandelt sich in der Ausstellung zu einem Dokument anderer Art: KI generierte Fotografien bezeugen gleichzeitig die Zukunft und eine nostalgische Vergangenheit. In ihrer forschungsbasierten Praxis erkundet Camille Kaiser den Weg der Rückführung von Denkmälern aus Algerien nach Frankreich. Im Zusammenfügen von persönlichen Narrativen und Archivmaterial, lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die Nutzung öffentlicher Räume und Symbole, deren Historisierung sie kritisch beleuchtet. Roman Selim Khereddine verhandelt in seinem neuen Werk ebenfalls die vermittelnde Funktion von Abbildungen: In der Ausstellung präsentiert er eine zweiteilige Videoarbeit, die zwei verschiedene und doch ähnliche Tätigkeiten des Konstruierens dokumentiert. Die im Werk dargestellten Nachahmungsversuche werden dabei nicht lediglich als Täuschung offengelegt, sondern in Parallele zur künstlerischen Tätigkeit, auf ihren Wirklichkeitsanspruch hin befragt. Eva Zornio untersucht ausgehend von ihrer Recherche zu Affekten, die Emotion als Mittel der Formbildung. In der Ausstellung zeigt sie ein Video und zielt mit räumlichen Interventionen auf die Verhaltensänderung der Besucher:innen. Dadurch bewirkt sie die Bewusstwerdung von Handlungsfeldern im Zusammenspiel von Emotionen und Vernunft. Wirkungsfelder und die Möglichkeit multipler Handlungsspielräume werden auch im Schaffen des Kollektivs Natalie Portman erprobt. Anhand der Darstellung und Inszenierung von Figuren, wirken sie sowohl formend auf ihre Umgebung und machen zugleich das Ergebnis solch aktivierender Kräfte sichtbar.

"Entangled Events"
Camille Aleña, Mohamed Almusibli, Camille Kaiser, Roman Selim Khereddine, Natalie Portman und Eva Zornio
Kuratiert von Céline Matter
27. August bis 6. November 2022