Die Sammlung des Museums für zeitgenössische Kunst Skopje

Im Mittelpunkt der großangelegten internationalen Gruppenausstellung in der Kunsthalle Wien "No Feeling Is Final. The Skopje Solidarity Collection" stehen die bemerkenswerte Sammlung des Museums für zeitgenössische Kunst (MoCA) Skopje, ihre Entstehungsgeschichte und der historische und politische Kontext, in dem ein so ungewöhnliches Projekt möglich war.

Nach dem schweren Erdbeben, das Skopje (damals Jugoslawien) 1963 erschütterte, wurden in einer großen Geste internationaler Solidarität erhebliche Anstrengungen unternommen, um den Wiederaufbau der zerstörten Stadt zu unterstützen. Zentrales kulturelles Element der Rekonstruktion war die Gründung eines Museums für zeitgenössische Kunst, für das Künstler:innen aus aller Welt – einem Aufruf der Vereinten Nationen folgend – Skopje Tausende von Kunstwerken stifteten. Im Unterschied zu den meisten Sammlungen moderner Kunst, die den Geschmack von Privatpersonen widerspiegeln oder der nationalen Repräsentation dienen, ging die daraus resultierende Solidarity Collection aus der Geschichte der Stadt und dem Wunsch hervor, sie für eine neue, sozialistische Gesellschaft wiederaufzubauen.

Die Sammlung des MoCA Skopje ist eine Zeitkapsel internationaler Kunst aus der Hochphase des Modernismus und zugleich eine seltene künstlerische Begegnung, die während des Kalten Krieges den Graben zwischen Ost und West überwand. Sie versammelt viele Werke Künstler:innen, die ein kunstinteressiertes Publikum wiedererkennen wird, aber auch weniger bekannte, aber oft faszinierende Werke von Künstler:innen aus dem früheren Osten und dem globalen Süden.

Zu den Künstler:innen der Skopje Solidarity Collection gehören Pierre Alechinsky, Getulio Alviani, Enrico Baj, Georg Baselitz, Anna-Eva Bergman, Maria Bonomi, Alberto Burri, Alexander Calder, Luis Camnitzer, Christo & Jeanne-Claude, Ion Grigorescu, Sheila Hicks, David Hockney, Alfred Hrdlicka, Olga Jevrić, Jasper Johns, Alex Katz, Wifredo Lam, Sol LeWitt, Roberto Matta, Zoran Mušič, Meret Oppenheim, Pablo Picasso, Joan Rabascall, Vjenceslav Richter, Bridget Riley, Niki de Saint Phalle, Henryk Stażewski, Gligor Stefanov, Victor Vasarely und viele weitere.

Die Einzigartigkeit der Sammlung war Anlass für die Kuratorinnen, zu deren Wurzeln zurückzukehren und sie als eine "echte Künstler:innensammlung" zu behandeln; das bedeutete auch, zeitgenössischen Künstler:innen bei der Entwicklung der Präsentation eine Schlüsselrolle zu geben. Für "No Feeling Is Final. The Skopje Solidarity Collection" hat die Kunsthalle Wien vier Künstler:innen und ein Künstler:innenduo – Brook Andrew (Melbourne), Yane Calovski & Hristina Ivanoska (Skopje), Siniša Ilić (Belgrad), Iman Issa (Berlin) und Gülsün Karamustafa (Istanbul) – eingeladen, mit der Sammlung zu arbeiten. Sie alle haben spezifische Werke aus der Sammlung ausgewählt und ein Display entwickelt, das ihren Blick auf die Skopje Solidarity Collection in ein sehr persönliches Verhältnis zu ihrer jeweils eigenen künstlerischen Praxis bringt. Viele der beteiligten Künstler:innen waren interessiert daran, sich mit den weniger bekannten Künstler:innen und Werken in der Sammlung – vor allem jenen aus Mazedonien und Jugoslawien – zu beschäftigen.

Die Ausstellung umfasst aber auch einige der vertrauteren und allgemein etablierten modernen Künstler:innen der Sammlung, um das breite Spektrum von Werken hervorzuheben, das Skopje als Reaktion auf den Spendenaufruf erhielt.

Neben diesen Auftragsarbeiten, die sich mit der Sammlung auseinandersetzen, wurde die für ihre unverwechselbare Art, mit Bildern Geschichten zu erzählen, geschätzte Fotografin Elfie Semotan (Wien) eingeladen, die Stadtlandschaft Skopjes und das Museum festzuhalten. Mit einem präzisen, sensiblen Blick stellt sie die Stadt vor, wobei sie sich auf besonders bemerkenswerte modernistische Bauwerke konzentriert. Ihre Fotografien ziehen sich durch die gesamte Ausstellung hindurch und dienen als Bindeglieder, die die Ausstellung kontinuierlich in Skopje verankern.

Schriftstellerin Barbi Marković (Wien) – bekannt für ihre scharfsinnige Mischung aus Fiktion und gesellschaftlicher Realität – wurde gebeten, ein Reisetagebuch zu schreiben, das ihre Erfahrungen bei der Begegnung mit den komplexen und vielschichtigen Geschichten von Skopje festhält. Ihr Text "Zurück, zurück zu positiven Sachen" ist Teil des umfangreichen Ausstellungsguides, der allen Besucher:innen der Ausstellung kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Die Ausstellung umfasst außerdem umfangreiches Archivmaterial über das Erdbeben, den Wiederaufbau der Stadt und die Geschichte des MoCA Skopje, darunter Kenzō Tanges Modell des Masterplans für die Innenstadt (eine Leihgabe des Stadtmuseums von Skopje). Dieses Modell wird zusammen mit zahlreichen Plänen aus dem dortigen Institute for Town Planning and Reconstruction (Institut für Stadtplanung und Wiederaufbau) präsentiert, die zeigen, welche Recherchen und Analysen im Rahmen der Rekonstruktion vor Ort durchgeführt wurden, um eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie die neue Stadt aussehen könnte. Um die hohe Qualität der damals tatsächlich realisierten Gebäude hervorzuheben, werden zudem Modelle aus der Sammlung des Architekt:innenteams Ana Ivanovska Deskova, Jovan Ivanovski und Vladimir Deskov aus Skopje präsentiert. Der Ausstellungsguide beinhaltet zudem einen Essay der Historikerin Ljubica Spaskovska (Die "Stadt der internationalen Solidarität": Skopje, die Vereinten Nationen und die Suche nach einem modernistischen Utopia), der den geopolitischen Kontext des Wiederaufbaus von Skopje ausführlich analysiert.

"No Feeling Is Final. The Skopje Solidarity Collection" ermöglicht einen neuen Blick auf die gut einstudierte Geschichte der modernen Kunst, wie sie in westlichen Großstädten wie Wien erzählt wird, und dient als eine Art Spiegel, um die Kunst der Moderne mit den Augen internationaler zeitgenössischer Künstler:innen zu betrachten. Zugleich öffnet die Ausstellung ein Fenster zur Kultur- und Architekturgeschichte einer nahe gelegenen Stadt, mit der das imperiale Wien eine lange gemeinsame Geschichte hat. Vor allem ist die Ausstellung jedoch eine Einladung, in einer Zeit spürbarer Instabilität in ganz Europa Solidarität mit unseren Nachbar:innen zu empfinden und neu zu erfinden.

No Feeling Is Final.
The Skopje Solidarity Collection
Bis 28. Jänner 2024