Das "Schwarze Porträt" in der zeitgenössischen frikanischen Malerei

Die Kunsthalle Krems versammelt in der Gruppenausstellung "The New African Portraiture. Shariat Collections" führende figurative Künstler:innen afrikanischer Herkunft. Sie nehmen den afrikanischen Kontinent und die Diaspora in den Blick und setzen sich mit komplexen Fragen der Identität, Ästhetik und Kunstgeschichte auseinander. Ihre fesselnden Porträts laden dazu ein, sich mit der oftmaligen Fehldarstellung oder dem Übergehen Schwarzer Menschen in der westlichen Maltradition zu befassen.

Impulsgebend für die Schau in Krems war die Ausstellung "Le modèle noir de Géricault à Matisse" im Musée d'Orsay. Sie thematisierte den Schwarzen Körper in der Malereigeschichte von 1800 bis zur Klassischen Moderne – zumeist marginalisiert und an den Rand gedrängt, mit eurozentristischkolonialistischem Blick. Zentrales Werk war das Porträtbild "Madeleine" von Marie-Guillemine Benoist, das sich seit 1818 im Besitz des Louvres befindet und das einzige Porträtgemälde einer Schwarzen Person dieses Museums ist. Es ist ein Sinnbild für Emanzipation und Empowerment der Black Identity.

Bereits 2020 zeigte die Kunsthalle Krems mit Robin Rhode eine südafrikanische Position. Der Künstler teilte sich mit Alexandre Diop, der in der aktuellen Ausstellung vertreten ist, ein Studio. Im Zuge der Ausstellungskonzeption lernte Florian Steininger, der künstlerische Direktor der Kunsthalle Krems, auch den Sammler Amir Shariat kennen.

"The New African Portraiture. Shariat Collections" ist die erste Ausstellung über zeitgenössische afrikanische figurative Malerei in Europa. Kuratiert wird die Schau von Ekow Eshun. Er ist der Experte für zeitgenössische afrikanische Kunst, insbesondere für Porträtfotografie und Malerei. In der Hayward Gallery in London war bis vor Kurzem die von ihm kuratierte Ausstellung "In The Black Fantastic" über Afrofuturismus zu sehen. Sie wandert jetzt in die Kunsthal nach Rotterdam. Eshun selbst hat familiäre Wurzeln in Ghana, worüber er in seinen Memoiren "Black Gold of the Sun" spricht. Er schreibt für zahlreiche Kunstmagazine, ist ehemaliger Direktor des Institute of Contemporary Arts London und Vorsitzender der Fourth Plinth Commissioning Group. Seine Beiträge zu Künstler:innen wie z. B. Mark Bradford, Chris Ofili, Kehinde Wiley, John Akomfrah und Wangechi Mutu erschienen unter anderem in der New York Times, Financial Times, im Guardian, Observer oder Independent. Seine Publikationen "Africa State of Mind" und "Black Gold of the Sun" wurden für den Lucie Photo Book-Preis bzw. den OrwellPreis nominiert.

Neue afrikanische Porträtkunst

Im Westen dominierten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Abstraktion und Konzeptkunst, die Figuration geriet in den Hintergrund. In Afrika hat die figurative Malerei ihre zentrale Rolle immer beibehalten. Im vergangenen Jahrzehnt fand unter afrikanischen Künstler:innen allerdings ein bemerkenswerter Umschwung statt. Das Figurale bleibt weiterhin zentral, die Herangehensweise zeigt aber zunehmend ein Bekenntnis zu Kühnheit und zum Imaginativen.

Die fesselnden Porträts in "The New African Portraiture. Shariat Collections" präsentieren eine große Bandbreite an malerischen und bildnerisch-collagehaften Beiträgen. Die durch Tapetenornamente erweiterten Porträts von Amoako Boafo zeigen selbstbewusste Charaktere in trendiger Kleidung. Die Malerin Millicent Akweley feiert ihr ghanaisches Erbe mit kraftvollen, von Patchwork inspirierten lebensgroßen Gemälden. Everlyn Nicodemus verarbeitet in ihren Porträts ihre persönlichen Traumata.

Cornelius Annor, dessen Werke für die Ausstellung zum Teil während seiner Zeit als Artist in Residence in Krems entstanden sind, liefert evokative Momentaufnahmen des ghanaischen Alltagslebens. Der in Wien lebende Alexandre Diop konstruiert komplexe Assemblagen aus weggeworfenem Material. Die südafrikanische Künstlerin Turiya Magadlela gestaltet Porträts, die Ölmalerei mit Näh- oder Stickarbeit verbinden. James Mishio experimentiert als Mixed-Media-Künstler mit verschiedensten Medien und Materialien und erkundet dabei das menschliche Wesen.

Künstlerische Blüte

In Afrika geborene Künstler:innen wie Amoako Boafo und Otis Kwame Kye Quaicoe aus Ghana oder Tesfaye Urgessa aus Äthiopien verleihen der figurativen Malerei fesselnde Dringlichkeit sowie eine große Bandbreite an Möglichkeiten im künstlerischen Ausdruck. Boafos lebendige Porträtbilder haben ihm einen besonderen Aufstieg beschert. Die Ausstellung zeigt eine Reihe jüngerer Künstler:innen, darunter James Mishio aus Ghana oder Josie Love Roebuck aus den USA, Seite an Seite mit älteren Vertreter:innen wie Everlyn Nicodemus und Kimathi Donkor aus dem Vereinigten Königreich oder Basil Kincaid und Christopher Myers aus den USA.

Die Schau in Krems unterstreicht, wie afrikanische Künstler:innen trotz mangelnder staatlicher Finanzierung Möglichkeiten zur Entfaltung finden. Kulturschaffende aus diversen Sparten erzielen große Erfolge auf der internationalen Bühne. Es sind kollektive Anstrengungen einer aufstrebenden Künstler:innengeneration, die darauf beharrt, die afrikanische Präsenz in der zeitgenössischen Kultur sichtbar und hörbar zu machen.

Die in der Ausstellung gezeigte Kunst stammt bis auf ein Gemälde, das dem ehemaligen Fußballprofi und TV-Moderator Michael Ballack gehört, aus der Sammlung von Amir und Shahrokh Shariat.

The new african portraiture. Shariat collections
Bis 10.04.2023