Bilder starker Frauen als Statement zur Zeit

Die 1979 in Stuttgart geborene und heute in Krefeld lebende und arbeitende deutsch-italienische Künstlerin Patrizia Casagranda malt fast ausschließlich Frauenporträts. Einen repräsentativen Querschnitt aktueller Werke zeigt die Biennale-Venedig-Teilnehmerin derzeit in der Bregenzer Sylvia Janschek Art Gallery. 

Der Begriff "Malen“ greift bei Casagranda allerdings zu kurz. Denn in ihren Arbeiten verschmelzen Collagetechniken, Typografie, Streetart-Anlehnungen, Rastertechniken und Schablonenkunst mit der Malerei zu vielschichtigen Bildfindungen. Dabei arbeitet die Künstlerin auch unterschiedlichste Materialien wie etwa weggeworfene Kartonagen, gebrauchte LKW-Planen, Armee-Zelte, Jutesäcke und anderes, ganz im Sinne eines Upcyclings, also der Wiederverwertung und „Veredelung“ bereits entsorgter Stoffe, in die Bildkörper mit ein, was den Werken haptische, reliefartige Oberflächen verleiht. Voll erkennbar werden die dargestellten Frauen erst aus der Entfernung. Aus der Nähe betrachtet rücken die Details der Materialität und der Punktrastertechnik in den Vordergrund. 

Die Bregenzer Galeristin Sylvia Janschek lernte Casagranda, die 2022 an der 59. Biennale Venedig im Pavillon von Bangladesh zu sehen war und dieses Land auch an der diesjährigen Biennale wieder vertreten wird, im Rahmen eines Besuches der Art Karlsruhe kennen. Die „Porträts starker Frauen“ hätten sie sofort in den Bann gezogen und nach der persönlichen Kontaktaufnahme vor Ort habe man sich rasch darauf geeinigt, die Künstlerin, die früher als Grafikerin unter anderem für Günther Uecker und Markus Lüpertz arbeitete, im Rahmen einer Einzelausstellung in der "Sylvia Janschek Art Gallery“ in Bregenz zu präsentieren. 

Casagranda setzt nicht nur bekannte Gesichter wie etwa Kate Moss, Frida Kahlo oder Marilyn Monroe ins Bild, sondern vor allem auch Frauen unterschiedlichster Gesellschaftsschichten, Konfessionen und Hautfarben. In ihrem Zyklus „Kabelia“ etwa beschäftigt sie sich mit den Müllmädchen aus der indischen Schlangenkaste, eben der Kabelia. Diese Serie entstand, als sie auf Einladung von Peter Wilms, mit dem sie sich ein Atelier in Holland teilt, nach Indien reiste. Diese Frauen überliessen der Künstlerin ihre Müllfunde, die diese dann buchstäblich als Grundlage ihrer Arbeiten verwendete. Die Idee eines Stücks „Wand an der Wand“ war geboren, die recycelten Materialien „von der Straße“ werden mit 15 bis 20, manchmal auch mehr Schichten Malerei überlagert, die aus einer mit Pigmenten angereicherten Mörtel-Gips-Mischung besteht. In den Kabelia-Porträts versucht Casagranda nicht nur den Stolz auf ihr kulturelles Erbe und die enorme Lebenskraft der Frauen zu transportieren, sondern auch auf die Brisanz ihrer sozialen und politischen Lage zu verweisen.

Ein in den Werken Casagrandas immer wiederkehrendes Element sind Textfragmente. Dabei kann es sich um ein Gedicht ebenso handeln wie auch etwa um ein Detail aus der Rede Charlie Chaplins im Film „Der große Diktator“. Und über die ebenfalls oft feststellbaren Bezüge zur Straßenkunst des Graffitis schreibt die freie Kuratorin Chris Gerbing in einem Katalogtext über die Künstlerin: „Casagranda kommt nicht ,von der Straße‘, sie bedient sich aber ihrer Mittel und Methoden, weshalb sie durchaus der Urban Art zugerechnet werden kann.“ Künstlerin Casagagranda selber verweist in diesem Zusammenhang auf die römische Geschichte: „Die Malereien in Pompeji kann man doch als Street Art der Antike bezeichnen. Ich war fasziniert vom Alterungsprozess dieser Gemälde und habe sie mit eigener Technik in unsere Zeit übertragen.“

Auf die Art und Weise, wie die Krefelderin durch die kombinierte Anwendung von Materialien und Techniken ästhetische Aspekte ihrer Frauenporträts unterläuft und bricht, verfolgt sie ganz klar auch inhaltliche Ziele. Casagranda: „Kunst ist für mich da, um Emotionen bei dem Betrachter zu wecken und der Gesellschaft etwas bewusst zu machen. Meine Kunstwerke haben immer eine Botschaft, die als Fragment im Hintergrund steht.“ Denn es seien oft Frauen in schwierigen Lebenssituationen, die in Notgebieten ihre Familien zusammenhalten. Oder ganz allgemein: Frauen verharren gerne und sind oft passiv. Aus diesem Grund enthalten ihre Bilder sowohl den Appell, aktiv das Schicksal in die Hand zu nehmen, als auch eine Hommage an die Weiblichkeit selbst. „Ich portraitiere starke Frauen. Wenn man Sie betrachtet und die Vibes aufnimmt, kann man sie für sich selbst in den Alltag mitnehmen“, betont sie. 

Patrizia Casagranda schloß 2002 ein Designstudium an der Fachhochschule Niederrhein ab, danach besuchte danach die Malerakademien in Nizza, Stuttgart, Ravensburg und Trier. Seit 2015 ist sie als freischaffende Künstlerin tätig. 

Patrizia Casagranda
Sylvia Janschek Art Gallery, Bregenz
2.2.-2.3.
Di-Sa 14-18 u.n.V.