Bilder des Bösen

Im Jahr 1914 begann der Erste Weltkrieg. Die Erinnerung daran nehmen wir zum Anlass, am Beispiel dreier Grafikzyklen die immer wiederkehrenden Merkmale kriegerischer Auseinandersetzungen zu thematisieren. Krieg, Gewalt und Zerstörung waren immer Gegenstand in der Kunst und vielfaches Motiv in Malerei, Grafik und Skulptur. Die Ausstellung macht auf künstlerische und inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufmerksam. Sie beleuchtet die Ästhetik des Grauens in verschiedenen künstlerischen Darstellungen zu drei verschiedenen Ereignissen und von Künstlern aus drei unterschiedlichen Generationen.

Der wohl bedeutendste grafische Kriegszyklus "Desastres de la Guerra" - "Die Schrecken des Krieges" entstand in den Jahren zwischen 1810 und 1820 von Francisco de Goya (1746-1828). Untypisch für einen noch barocken Hofmaler war die Erschaffung der nie zu seinen Lebzeiten veröffentlichten 82 Aquatintaradierungen, in denen der spanische Maler, Zeichner und Grafiker eine kriegerische Situation festhielt, die erst wenige Jahre zuvor begann: Gezeigt wird der Widerstand der aufständischen spanischen Bevölkerung gegen die französische Besatzung unter Napoleon I. Bonaparte (1769-1821) von 1808-1814, den die Spanier zum Unabhängigkeitskrieg erklärten.

Aufgrund ihrer brisanten Kritik - Goya zeigte nicht nur die Gewalt der französischen Soldaten an der spanischen Zivilbevölkerung, sondern auch Grausamkeiten, die die Spanier an den französischen Soldaten begingen, und: er prangerte das Versagen der Kirchenvertreter an - war es gefährlich, die Radierungen öffentlich zu zeigen. Erst 35 Jahre nach dem Tod Goyas - er starb in Frankreich - gab es eine erste Edition der Blätter im Jahr 1863.

Die Erlebnisse des Ersten Weltkrieges (1914-1918) hat der deutsche Maler und Grafiker Otto Dix (1891-1969) in den 50 Radierungen des Zyklus´ "Der Krieg" 1924 festgehalten. Dix meldete sich im Alter von 23 Jahren - wie so viele Künstler seiner Zeit - freiwillig zum Kriegsdienst. Nach seiner Rückkehr nach Dresden studierte er an der Akademie der Bildenden Künste, wurde Gründungsmitglied der Dresdner Sezession Gruppe 1919 und widmete sich der Avantgardekunst. Im Antikriegsjahr 1924 gab der Kunsthändler Carl Nierendorf die fünf Mappen zu je 10 Blatt, entstanden vom Herbst 1923 bis zum Frühjahr 1924, heraus.

Dix ging im Unterschied zu Goya von seinen eigenen Kriegserlebnissen als MG-Stoßtruppenführer aus. Seine unmittelbaren Erlebnisse nur fünf Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges zu publizieren, bescherte ihm herbe Kritik. Heute gelten seine Radierungen als wichtigstes Zeugnis über die Schrecken des Ersten Weltkrieges in der modernen Kunst.

Alfred Hrdlicka (1928-2009) schuf mit seinen 53 Blättern "Wie ein Totentanz - Die Ereignisse des 20. Juli 1944" seinen bedeutendsten und umfangreichsten Radierzyklus. Obwohl Österreicher, fühlte er sich zutiefst mit der deutschen Geschichte verbunden, insbesondere im Kontext von Krieg, Gewalt und Faschismus. Er begann seine Serie 1968 und stellte sie 1972 zum ersten Mal öffentlich aus; alle Arbeiten wurden aus mehreren Werken zu einem Komplex zusammengestellt.

Die Geschehnisse des 20. Juli 1944 mit dem Attentatsversuch gegen Adolf Hitler werden in nur 11 Blättern wiedergegeben, alle anderen Drucke thematisieren die Ursachen und Wirkungen - ausgehend vom preußischen Militarismus zur Zeit Friedrichs des Großen über Ereignisse in der Weimarer Republik bis hin zum Sturz Salvador Allendes in Chile 1974, also kurz nach der Entstehung der übrigen Blätter.

Zum ersten Mal werden alle drei Zyklen in einer Ausstellung präsentiert. Der erzählerische Aufbau der drei Serien vermittelt im Unterschied zur Einzeldarstellung einen intensiven Einblick in ein dokumentiertes Geschehen, das zeitübergreifend wiederkehrende Elemente ablesbar werden lässt. Die Arbeiten von Alfred Hrdlicka nehmen dabei Bezug auf einzelne Blätter aus der Serie von Francisco de Goya und auch die Kriegsdarstellungen von Otto Dix haben in den nachfolgenden Künstlergenerationen Zeichen gesetzt. Die unterschiedlichen handwerklichen Techniken, die erzählerischen Ambitionen und der damit verbundene jeweilige Appell an den Betrachter sind uns wichtig, mit der Ausstellung zu vermitteln.

Gleichzeitig werden die verschiedenen Perspektiven der einzelnen Künstler auf ihr Thema beleuchtet: Während Francisco de Goya die sadistischen Grausamkeiten des Krieges auf beiden Seiten anprangert und Otto Dix seine eigenen Erfahrungen als Soldat reflektiert, beleuchtet Alfred Hrdlicka neben Szenen der Gewalt auch die politisch-ideologischen Weichenstellungen und Folgewirkungen, unter denen Krieg erst möglich und im Nachhinein legitimiert wird.


Bilder des Bösen
Goya, Dix und Hrdlicka. Drei Zyklen zum Krieg
20. September 2014 bis 11. Januar 2015