Bild und Blick – Sehen in der Moderne

In sieben Kapiteln verfolgt die aus der Museumssammlung kuratierte Ausstellung "Bild und Blick – Sehen in der Moderne" die Herausforderungen, die das 20. Jahrhundert für den Rezipienten bereithält. Welche Rolle wird dem Betrachter zugewiesen, wenn die Leinwand nicht mehr als "ein offenes Fenster" fungiert, als die sie der bedeutende Kunsthistoriker Leon Battista Alberti im 15. Jahrhundert postulierte?

"Der Betrachter ist im Bild" – mit dieser Formulierung konstatierte Kunsthistoriker Wolfgang Kemp, dass der Rezipient bei der Konzeption eines Kunstwerks mitgedacht und dessen Standpunkt vor dem Bild genau festgelegt wird. Bereits im Mittelalter wurden Bildtafeln als Fenster zu einer anderen Welt verstanden. Dieses Verständnis des Bildes hielt sich über Jahrhunderte hinweg.

Der Weg der Abstraktion im 20. Jahrhundert geht mit einer Konzentration auf die malerischen Mittel und die Leinwandoberfläche einher. Die neue Ausstellung thematisiert mit über 70 Werken, wie sich der Verzicht auf figurative und erzählerische Elemente auf die Bildwahrnehmung auswirkt. Die Präsentation setzt mit zwei Motiven ein, die eine lange kunsthistorische Tradition aufweisen: Fensterbild und Portrait. Werke von Karl Schmitt-Rottluff, Karl Hofer oder Heinrich Hoerle verdeutlichen, wie der Standpunkt des Betrachters vor dem Bild bis zur Moderne festgelegt war.

Im Weiteren konzentriert sich die Ausstellung insbesondere auf die sich darstellenden Möglichkeiten der Abstraktion. In der intensiven Auseinandersetzung mit der Nichtfarbe Weiß thematisieren Künstler wie François Morellet, Raimund Girke oder Heinz Mack das Sehen, beziehungsweise die optische Wirkung von Licht und Schatten, die eine erhöhte Aufmerksamkeit des Rezipienten fordern. Die geometrischen Abstraktionen von Piet Mondrian, Josef Albers und anderen schaffen durch Harmonie und Ausgeglichenheit eine neue Realität. Gleichzeitig negiert die Malerei nicht selten ihre fest abgesteckten Bildgrenzen, drängt in den Raum und fordert die Imagination des Betrachters.

Die Aktivierung des Blicks bis hin zu dessen Überforderung mithilfe unterschiedlichster Farbrhythmen wird anhand der Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie Bart van der Leck, Otto Freundlich, Adolf Fleischmann und Bridget Riley thematisiert. Besonders hier wird die Rezeption des Kunstwerks untrennbar mit dem Betrachterverhalten vor diesem verknüpft. Ab den 1960er Jahren ist der Betrachter dann dazu angehalten, in eine direkte, sogar physische Interaktion mit dem Kunstwerk zu treten. Abschließend widmet sich die Ausstellung dem Raum hinter der Leinwandoberfläche und dem kontemplativen Moment, das den Betrachterblick einfängt und in die Unendlichkeit führen kann.  

Seit acht Jahren konzipiert das Wilhelm-Hack-Museum jährlich neue Ausstellungen aus seiner über 10.000 Werke umfassenden Sammlung. Die Präsentationen befassen sich jedes Mal mit einer neuen Thematik und stellen bereits zum festen kunsthistorischen Kanon gehörende Künstler den Neu- oder Wiederentdeckungen aus den Sammlungsbeständen des Museums gegenüber.


Bild und Blick – Sehen in der Moderne
11. August 2018 bis 7. Juli 2019
Eröffnung: Fr 10. August 18, 18 Uhr