Ungenutzt, müde, abgelegt, schlummernd, wartend – liegt eine Ansammlung von goldenen Glocken schimmernd auf dem Grund der ursprünglichen Johanniterkirche Feldkirch. Als Echo der Erinnerung sind sporadisch Glockentöne zu hören, die die Künstlerin Martina Morger mit einer Duftkomposition collagiert. Die Installation „Bella Bells“ ist bis 25. Mai zu sehen.
Treicheln, Halsschellen, Rufglöckchen und Glockenspiele: In der verlassenen archäologischen Ausgrabungsstätte der Johanniterkirche legt die Multimediakünstlerin Martina Morger ein Feld von Glocken aus. Sie sind aus unterschiedlichen Materialien hergestellt und für unterschiedliche Zwecke vorgesehen – Zeitdiktat, Warnung, Lockruf, Ankündigung, Konditionierung, Feierlichkeit, Musikinstrument, Deko. Mit der Verdichtung zu einem kraftvollen und zugleich stillen Bild beleuchtet Martina Morger die gegensätzlichen Funktionen von Glocken vom Signal der Warnung und bis zum Klang der Freude.
Fängt die Stille gerade erst an oder ist sie gleich vorbei? Martina Morgers Interesse gilt diesem Moment der Unsicherheit: „Glocken verlangen nach Aktivierung, erfüllt sich ihr Charakter erst, wenn sie ertönen? Was heißt es, wenn tausende Glocken gestrandet sind, nicht schwingbar, schwer am Boden liegen? Findet die Ankündigung erst statt? Oder haben wir diese schon ver- passt? Ist es eine Warnung? Ist alles erst im Aufbau?“
Eine minimalistische Soundinstallation mit einzelnen, übereinander collagierten Glockentönen wirkt wie ein Echo der Erinnerung an die einst läutenden Glocken, die jetzt schweigend auf dem Kirchenboden schlummern. Ein weiteres Element der Ausstellung ist eine Duftkomposition. Der Raum wird immer wieder mit einer speziellen Harzmischung geräuchert. Martina Morger will damit Themen wie Vergänglichkeit, Zeremonie und Ritual ansprechen, ohne die Handlung des Räucherns sichtbar zu machen.
Die Künstlerin verwebt in situativen Installationen und ortsbezogenen Performances Kybernetik und Körperlichkeit. Die Ausstellung „Bella Bells“ ist die Fortführung und Erweiterung einer Performance, die für die Gruppenausstellung „Frida“ 2023 im toggenburgischen Lichtensteig entstanden ist. Als Hommage an die Alltagserfahrungen einer Bewohnerin der Kleinstadt an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert durchschritt Martina Morger die Hauptgasse von Lichtensteig. Weiß gekleidet zog sie dabei ein Objekt aus Glocken und Schellen hinter sich her.
Die Eröffnung der Ausstellung in der Johanniterkirche Feldkirch startet mit einer Art performativem Prolog. Eine Viertelstunde vor der Vernissage treffen sich die Besucher:innen beim Katzenturm, wo die größte Glocke Vorarlbergs schlägt. Dann gehen alle gemeinsam zur Johanniterkirche, wo der Ritter Bläsi wie gewohnt in seinem Uhrturm mit der Streitaxt die volle Stunde schlägt.
Martina Morger, geb. 1989 in Liechtenstein, lebt und arbeitet in Balzers, in Zürich und in Hannover. Studium der Medien- und Kulturwissenschaften an der Universität Zürich und Mediale Kunst an der Zürcher Hochschule der Künste und an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, bevor sie an der Glasgow School of Arts den Master in Fine Arts Practice absolvierte. Sie ist Co-Kuratorin von „Perrrformat“, mit dem sie Performancekunst in den öffentlichen Raum bringt. Martina Morger ist Manor-Kunstpreisträgerin 2021, 2020 war sie Atelierstipendiatin an der Cité Internationale des Arts in Paris, 2019 Vertreterin von Liechtenstein an der 58. Biennale in Venedig.
Bella Bells
Martina Morger in der Johanniterkirche Feldkirch
Vernissage: Freitag, 22. März, 20 Uhr
Es sprechen Arno Egger, Kurator und Roland Scotti, Kunstwissenschafter
Wer möchte, findet sich bereits um 19.45 zum Prolog beim Katzenturm ein, wo die größte Glocke Vorarlbergs anlässlich der Ausstellung läuten wird. Von dort sind es 5 min zu Fuß zur Johanniterkirche.
Dauer der Ausstellung: 23. März bis 25. Mai 2024
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag: 10 – 12 Uhr und 15 – 18 Uhr
Samstag 10 bis 14 Uhr