Auf Linie - NS-Kunstpolitik in Wien

Die Nazifizierung von Politik und Kultur begann bereits in der Zeit des Austrofaschismus. 1936 fanden erste NS-Propagandaausstellungen in Wien und österreichische Teilnahmen an Ausstellungen im Deutschen Reich statt. Während der Bildhauer Wilhelm Frass 1935 sein schriftliches NS-Bekenntnis unter dem Denkmal des unbekannten Soldaten im Burgtor versteckte, trugen viele österreichische Künstler und Künstlerinnen ihre NS-Sympathie offen zur Schau. 1937 wurde der antisemitische Bund deutscher Maler Österreichs gegründet. Viele Künstlervereinigungen waren von "Illegalen" unterwandert, jenen Personen, die sich nach dem Verbot der NSDAP am 19. Juni 1933 bis zum "Anschluss" am 12. März 1938 zur NSDAP bekannten. Liberale Kulturpolitik wurde systematisch verdrängt.

Während die liberalen Kunstvereine, wie der Österreichische Werkbund, der Hagenbund oder die Wiener Frauenkunst bis zum "Anschluss" noch Arbeiten jüdischer Künstlerinnen und Künstler ausstellten, biederte sich die Secession 1937 unter dem Präsidenten Alexander Popp mit Ausstellungen wie "Italiens Stadtbaukunst im faschistischen Regime" und "Deutsche Baukunst, Deutsche Plastik am Reichssportfeld in Berlin" den faschistischen Regimen an. Für die rasche Eingliederung der Wiener Künstlerschaft in die Reichskammer der bildenden Künste 1938 war der Zugriff der Nationalsozialisten auf die Mitgliederlisten der in der "Ständigen Delegation der bildenden Künstler Österreichs" organisierten Vereine maßgebend.

Unmittelbar nach dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 erfolgte die Einführung der deutschen Reichsgesetze, darunter auch das Reichskulturkammergesetz, das 1933 den gesetzlichen Rahmen für die Kulturarbeit im nationalsozialistischen Deutschland schuf. Mit der darauf beruhenden zwangsweisen Gleichschaltung aller im Kulturbereich Tätigen begann die Verstaatlichung und Überwachung der Kultur. Per Gesetz wurde die Reichskammer der bildenden Künste (RdbK) zum zentralen Organ der Kunst- und Künstlerverwaltung des Dritten Reiches und die Mitgliedschaft die Voraussetzung der Berufsausübung. Die Selektion der Künstlerinnen und Künstler erfolgte in einem strengen Aufnahmeverfahren, bei dem neben der künstlerischen Fähigkeit auch die politische Zuverlässigkeit sowie die "Abstammung" überprüft wurde. Auf diese Weise kontrollierte und sicherte sich das NS-Regime den Zugriff auf das Kunstgeschehen und lenkte es nach seinen ideologischen und rassistischen Vorstellungen.

Das Aufnahmeverfahren in die Reichskammer war streng bürokratisch strukturiert und eine Mitgliedschaft nur für jene möglich, die den künstlerischen, politischen und rassischen Vorgaben des NS-Regimes entsprachen. Politisch Andersdenkenden und jüdischen Künstlerinnen und Künstlern blieb der Zugang verwehrt. In der Landesleitung Wien wurden die Anträge auf Vollständigkeit geprüft sowie die künstlerische Leistung von den Referenten bewertet.

In der Rolle des städtischen Auftraggebers förderte das von den Nationalsozialisten gegründete Kulturamt die von ihnen ausgewählten Wiener Künstlerinnen und Künstler und übertrug ihnen auch die programmatische künstlerische Neugestaltung des Rathauses im Sinne des NS-Regimes. Mit der Ausschreibung von Wettbewerben sowie Direktaufträgen sicherte sich die Politik den Einfluss auf das künstlerische Werk und lenkte die Kunstproduktion nach ihren ästhetischen und propagandistischen Vorstellungen.

Die NS-Kunstproduktion hatte nicht nur die ästhetische Erziehung der "Volksgemeinschaft" zum Ziel, sondern erhielt auch eine wichtige wirtschaftliche Aufgabe. Ein Schwerpunkt in den Wirtschaftsplänen lag in der Förderung der Marke "Wiener Mode" und der Handwerksausbildung in Wien. So wurden die Gründungen von Institutionen wie Haus der Mode, Kunst- und Modeschule, Wiener Kunsthandwerkverein und Wiener Entwurfs- und Versuchswerkstätte seitens der Stadtverwaltung unterstützt und subventioniert.

Das Kulturamt schrieb mehrere Wettbewerbe für Denkmäler aus mit dem Ziel, die Ideologie der Nationalsozialisten historisch zu legitimieren. Geehrt wurde neben Walther von der Vogelweide auch der proto-faschistische Ideologe Houston Stewart Chamberlain. Ebenso entstanden Entwürfe zur ständigen Ausschmückung der Stadt sowie für ein Erinnerungsmal im ehemaligen Anhaltelager Wöllersdorf. Aufträge für Porträts und Arbeiten zur Kunst-am-Bau ergingen direkt an Künstler und Künstlerinnen. Plakate, die aus Wettbewerben des Kulturamtes hervorgingen, waren in der NS-Zeit ein weiteres wichtiges Medium der Propaganda. Durch Beauftragungen zur Neugestaltung von Wiener Theatern wurden "Führerlogen" eingebaut und Eiserne Vorhänge entworfen. Aber auch von der Reichsebene kamen Aufträge. So beauftragte Albert Speer, Hitlers bevorzugter Architekt und Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Berlin, die österreichischen Bildhauer Gustinus Ambrosi und Robert Ullmann mit Skulpturen für die Neue Reichskanzlei in Berlin.

Neben antisemitischen Feindbild- und Kriegsausstellungen nutzten die Nationalsozialisten Kunstausstellungen gezielt zur Verbreitung ihrer Ideologie und Propaganda. Meist handelte es sich um Wanderausstellungen aus dem "Altreich". Die größte Propagandaschau aus der "Ostmark" war die in Berlin gezeigte Ausstellung "Berge, Menschen und Wirtschaft der Ostmark" (1939). Das NS-Regime förderte die NS-konformen Ausstellungen systematisch durch Ankäufe und die Vergabe von Preisen. Zu den wichtigsten Schauplätzen in Wien zählten das Künstlerhaus, das Ausstellungshaus Friedrichstraße (Secession) und die Wiener Kunsthalle (Zedlitzhalle). Auch Frauen waren im Ausstellungsbetrieb mit eigenen "Künstlerinnenausstellungen" präsent. Ab 1942 setzte die Künstlerschaft immer mehr auf wienspezifische Themen wie "Das schöne Wiener Frauenbild" (1942) oder "Wiener Bildnisse aus Kreisen der Kunst und Wissenschaft" 1900–1943. Damit unterstützte sie die Kulturpolitik des Gauleiters Baldur von Schirach, der die Vorreiterrolle der Wiener Kultur in einem faschistischen Europa propagierte.

Im Künstlerhaus formierte sich die Elite der NS-Künstler schon vor dem "Anschluss". Unter der Präsidentschaft von Leopold Blauensteiner (1937–1939) wurden die Beziehungen zum nationalsozialistischen Deutschland intensiviert. Im Dezember 1939 fusionierte das Künstlerhaus mit der Secession und übernahm deren Ausstellungsgebäude. Mit dem Präsidenten Rudolf H. Eisenmenger (1939–1945) wurde das Künstlerhaus am Karlsplatz gemeinsam mit dem Ausstellungshaus Friedrichstraße zu den zentralen Orten der Propagandaausstellungen, in denen sich die lokale NS-Politprominenz gerne präsentierte. Im August 1941 übernahm Gauleiter Baldur von Schirach die Schirmherrschaft für das Künstlerhaus. Das Ausstellungsprogramm endete im August 1944 und das Gebäude wurde anschließend für Kriegszwecke beschlagnahmt.

1944 erstellten Adolf Hitler und Joseph Goebbels, Präsident der Reichskulturkammer und Reichsminister, die "Gottbegnadeten-Liste". Diese Liste umfasste 378 Namen von Künstlerinnen und Künstlern aus allen Sparten der bildenden Kunst, Architektur, Literatur, Musik und Schauspiel. Für das NS-Regime waren sie unverzichtbare Kulturschaffende, die im "Künstlerkriegseinsatz" standen und damit vom Kriegsdienst befreit waren. Unter den bildenden Künstlerinnen, Künstlern und Architekten befanden sich 18 Österreicherinnen und Österreicher und der in Wien tätige deutsche Bildhauer Fritz Behn.

Daneben existierten "Sonderlisten" mit einer Reihe von Personen, die als "unersetzlich" eingestuft wurden. Zu den dort gelisteten zwölf bildenden Künstlern und Architekten gehörte der österreichische Bildhauer Josef Thorak, der allerdings fast ausschließlich im Deutschen Reich tätig war.

Der Zerfall des NS-Regimes hatte die Liquidierung der Reichskammer der bildenden Künste zur Folge. Die Künstlerinnen und Künstler wurden in die neu gegründete Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs überführt, für die sie sich – wie zuvor für die Reichskammer – in einem Aufnahmeverfahren als Mitglied bewerben mussten. Diesmal richtete sich die Selektion gegen ehemalige NSDAP-Mitglieder, die sich aufgrund des Verbotsgesetzes (1945) gegenüber den Entnazifizierungsbehörden zu verantworten hatten.

Die Entscheidung für oder gegen ein Berufsverbot lag bei einer vom Bundesministerium für Unterricht eingesetzten Kommission. Mit der Lockerung der Entnazifizierungsvorschriften kamen nach 1947 immer mehr Künstlerinnen und Künstler in den Kunstbetrieb zurück. Im Gegensatz zur zentralistischen NS-Kunstpolitik erstarkte wieder ein demokratisches Kunstleben. Die Wieder- und Neugründung von Vereinen und Verbänden führte zu einer neuen Diversität in der Wiener Kultur.

Zurück blieben jedoch die unwiederbringlichen Leerstellen jener Künstlerinnen und Künstler, die vom faschistischen NS-Regime vertrieben oder ermordet worden waren.

Künstlerinnen und Künstler, die in der NS-Zeit berufstätig waren, hatten sich individuell mit dem politischen System arrangiert. Nach dem Krieg stand der Wiederaufbau der Zweiten Republik im Zentrum der Politik und ihre Verstrickungen mit dem NS-System wurden verdrängt. Biografien schlossen an die Zeit vor 1938 an und viele Künstlerinnen und Künstler, die während der NS-Zeit reüssiert hatten, wurden in der Nachkriegszeit zu gefeierten Staatskünstlern der Zweiten Republik. Wichtige Aufträge wurden ihnen übertragen.

Die Wiedergutmachung an den vertriebenen und geflüchteten Künstlerinnen und Künstlern erfolgte höchstens durch späte Ehrungen, Preise oder Ausstellungen. Vereinzelte Versuche der österreichischen Politik, Künstlerinnen und Künstler wie Oskar Kokoschka in Wien wieder ansässig zu machen, scheiterten. Die meisten Vertriebenen wurden überhaupt nie zur Rückkehr in ihre Heimat aufgefordert.

Die NS-Kunstpolitik hinterließ mit einer Vielzahl an Kunst-am-Bau-Werken ihre Spuren im öffentlichen Wiener Stadtraum. Bis heute befinden sie sich an Fassaden von privaten Wohnbauten und öffentlichen Gebäuden. Sie wurden für propagandistische Zwecke von der kommunalen Verwaltung beauftragt und von Künstlerinnen und Künstlern gefertigt. Neben belanglosen Märchendarstellungen kreisen ihre Bildthemen um nordische Helden und Kämpfer, Familienidyllen und Arbeitsszenen. Manche dieser Statuen, Reliefs, Keramiken und Sgrafitti wurden durch Spruchbänder mit NS-Losungen ergänzt. Die Sprüche wurden nach 1945 größtenteils entfernt, die Werke selbst jedoch im öffentlichen Raum belassen. Eine Ausnahme ist die Arbeit von Franz Kralicek in Wien-Wieden, die noch immer das Hitler zugeschriebene Zitat "Es gibt nur einen Adel, den der Arbeit" trägt. Manche dieser Kunst-am-Bau-Arbeiten wurden in den letzten Jahren von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern kontextualisiert, um auf ihre Entstehung in der NS-Zeit aufmerksam zu machen, andere sind nach wie vor unkommentiert.

Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien
14. Oktober 2021 bis 24. April 2022