Anja Niedringhaus. At war

Das mpk zeigt vom 1. Februar bis zum 26. April 2015 unter dem Titel "At War" insgesamt rund 100 Arbeiten der Kriegsfotografin Anja Niedringhaus. "Sie blieb ruhig, während um sie herum das Chaos herrschte", beschrieb Kathleen Caroll, Chefredakteurin der Nachrichtenagentur "The Associated Press" Anja Niedringhaus. Afghanistan, Libyen, der Irak, Israel (Gaza) und Bosnien waren Kriegs- und Krisengebiete, aus denen sie berichtete. Professionalität, Risikobereitschaft und ein unparteiischer Blick zeichnen ihre Aufnahmen aus.

In ihrer Arbeit suchte Niedringhaus Herausforderung und Grenzerfahrung. Spontaneität, technisches Know-How, sowie die Gabe, in einem Moment das Besondere zu erkennen und dabei intuitiv den richtigen Ausschnitt einer Situation festzuhalten, führten zur herausragenden Qualität ihrer Bilder. Niedringhaus erzählt jenseits von spektakulären Situationen in ihren Aufnahmen Geschichten von Menschen. Unvoreingenommen spiegeln sie Gefühle wie Trauer, Angst, Enttäuschung, Zuneigung und Begeisterung, daneben Leid, Gewalt, Zerstörung und Tod, denen die Betroffenen permanent ausgeliefert sind.

So zeigt sie einen italienischen Soldaten, der 2003 im Irak einsam und erschüttert auf dem Gelände einer Kaserne steht, auf dem sechzehn seiner Kameraden und acht irakische Zivilisten durch ein Selbstmordattentat starben. Die Aufnahme strahlt eine große Ruhe aus. Das eigentliche Drama, die brutale Zerstörung erscheint im Hintergrund, als Subtext. Unsicher und sorgenvoll sind die Gesichter der Soldaten, die sich in Falludscha vor einer Schlacht zum Gebet aufgestellt haben. Sie bilden Reihen und doch wird in der Aufnahme klar, dass ein jeder von ihnen schon in diesem Moment die existenzielle Einsamkeit spürt, der er im Gefecht ausgeliefert sein wird.

Daneben hält Niedringhaus skurrile Augenblicke fest, wie jenen, als südlich von Kandahar auf einer weiten Ebene drei afghanische Männer in traditioneller Kleidung auf einem Motorrad an Soldaten des Royal Canadian Regiment vorüberfahren. Diese sind mit technischem Gerät befasst und stehen in Uniformen, bewaffnet und mit Rucksäcken bepackt, am Weg als kämen sie von einem anderen Stern. Man mag lächeln, würde nicht im selben Atemzug das Aufeinanderprallen der Kulturen und das Ungleichgewicht der Verhältnisse deutlich.

Andere Aufnahmen zeigen Kinder: so beispielsweise eine Gruppe karussellfahrender palästinensischer Mädchen in einem Freizeitpark außerhalb von Gaza-Stadt. Sie wirken, als gäbe es keine Gefahr um sie herum und wieder andere Bilder belegen auf erschütternde Weise, wie der Krieg in den Alltag eingreift. Unmittelbarkeit und Nähe stehen dabei im Zentrum. Das Kriegsgeschehen bleibt im Hintergrund und ist angesichts verletzter Humanität und der darin begründeten Tragödie umso vehementer präsent. Die Fotografin hält das Bewusstsein für die weitreichenden Auswirkungen der Kriegs- und Krisenregionen unserer Welt wach. Es ist ihr immer wieder gelungen, die sinnlose Unmenschlichkeit der Kämpfe zu dokumentieren, ohne dabei die Würde des Individuums zu verletzen.

Anja Niedringhaus" Aufnahmen haben zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter 2005 den Pulitzerpreis für Fotografie. Sie wurden von allen Printmedien genutzt, im Fernsehen ausgestrahlt und sind im Internet zur tagespolitischen Illustration der Kriegsereignisse zu sehen. Gezeichnet von epa, der european press agency, die Niedringhaus im Alter von nur 24 Jahren als erster Frau, und einer der jüngsten im Team, eine Festanstellung geboten hat, und von AP, der US-amerikanischen Nachrichten Agentur, für die sie bis zuletzt gearbeitet hat, sind ihre Bilder nahezu jedem von uns geläufig, auch wenn wir in der Regel nicht wissen, dass Anja Niedringhaus ihre Urheberin ist. Sie wurde am 4. April 2014 in Afghanistan erschossen, als sie mit einem Konvoi der Wahlbehörde in der Provinz Khost unterwegs war, um die Wahl des Staatspräsidenten zu dokumentieren.


Anja Niedringhaus. At war
1. Februar bis 26. April 2015