67. Berlinale: Preisregen für Ildiko Enyedis "On Body and Soul"

Die zarte Liebesgeschichte "On Body and Soul" der Ungarin Ildiko Enyedi wurde nicht nur mit dem Goldenen Bären, sondern auch von der Jury der Filmkritiker und der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. "Nur" den Regiepreis gab es für Aki Kaurismäkis "The Other Side of Hope".

Die große Streuung der Preise durch die offizielle Jury macht deutlich, dass es an herausragenden Werken mangelte. Acht der 18 Wettbewerbsfilme wurden ausgezeichnet, keiner mehrfach. Umso überraschender ist freilich, dass Ildiko Enyedis "On Body and Soul" nicht nur von der offizieller Jury, sondern auch mit der Ökumenischen Jury und der Jury der Filmkritiker von den beiden wichtigsten unabhängigen Jurys zum besten Film gekürt wurde.

Leid tun kann einem vor allem Aki Kaurismäki. Immer wieder hat er in den letzten 30 Jahre herausragende Filme präsentiert, den Hauptpreis eines der drei großen europäischen Filmfestivals Berlin, Cannes, Venedig hat er aber noch nie gewonnen. Auch die Ankündigung des 59-Jährigen vor zwei Tagen, dass er keine weiteren Filme drehen werde, hätte die Jury dazu bewegen können, diesen Meister des lakonischen Erzählens und des trocken Humors besonders zu ehren. Das wäre auch keine Verbeugung vor dem Gesamtwerk gewesen, denn auch für "The Other Side of Hope" hätte Kaurismäki jeden Preis verdient und lag auch in den Kritikerspiegeln vorne.

Die anderen Preise sind weitgehend vertretbar. Etwas seltsam wirkt freilich der Alfred-Bauer-Preis, der an einen Film verliehen werden soll, der der Filmkunst neue Perspektiven eröffnet, für Agnieszka Hollands "Pokot". Die polnische Altmeisterin stellt in ihrem teils komödiantischen Krimi zwar die gesellschaftliche Ordnung auf den Kopf, doch filmsprachliche Innovation ist hier kaum zu finden.

Der Große Preis der Jury für Alain Gomis´ in Kinshasa spielenden "Félicité" geht ebenso in Ordnung wie die Auszeichnung der Cutterin Dana Bunescu für ihre Arbeit an Calin Peter Netzers "Ana, mon amour".

Der Rumäne erzählt darin nicht chronologisch die Liebesgeschichte von Toma und Ana, sondern lässt retrospektiv Toma bei psychotherapeutischen Sitzungen auf diese mehrjährige Beziehung mit der unter Panikattacken jungen Frau zurückblicken. Unvermittelt prallen dabei Szenen vom Anfang der Beziehung auf solche vom Ende, ist manchmal auch unklar, was Traum oder Erfindung von Toma und was Wirklichkeit ist.

Verunsicherung löst der Film so beim Zuschauer aus, wirkt auch etwas eng gefasst in der Konzentration auf das Paar und seine Beziehung, entwickelt aber andererseits gerade durch diese Nähe, die unruhige Handkamera und die hervorragenden Schauspieler große Authentizität und Intensität.

Die Auszeichnung von Sebastián Lelio und Gonzalo Maza für das Drehbuch von "Una mujer fantástica", der auch den Teddy Award, der für Filme mit schwul-lesbischem oder Transgender-Hintergrund vergeben wird, erhielt, ist ebenso verdient wie der Darstellerpreis für Georg Friedrichs Leistung in Thomas Arslans "Helle Nächte".

Der 51-jährige Wiener Schauspieler trägt zusammen mit Tristan Göbel mit seiner einfühlsamen Verkörperung eines Vaters, der zwischen dem Versuch der Kommunikation und Aggressionen pendelt, dieses Roadmovie. Überraschend ist dagegen die Wahl Min-hee Kims zur besten Darstellerin für ihre Leistung in Hong Sang-soos "On the Beach at Night Alone", gab es doch bei den Frauenrollen bei diesem Festival viele starke Leistungen.

Hong Sang-soos Film spaltete auch hier wieder die Kritik. Wie im Locarno-Sieger "Right Now, Wrong Then" gliedert der Südkoreaner auch diesen Film in zwei Teile. Die erste Hälfte spielt in einer europäischen Küstenstadt, konkret in Hamburg, der zweite in einer südkoreanischen. Versucht im ersten Teil eine junge Frau im Gespräch mit einer geschiedenen älteren Koreanerin und in Spaziergängen durch einen Park und dem Meer entlang über eine gescheiterte Beziehung mit einem verheirateten Mann hinwegzukommen, sitzt sie im zweiten Teil meist mit Bekannten beim Essen und Trinken. – Vor allem wird aber geredet: über die Liebe, über das Leben, über Freundschaft, über Männer und Frauen.

Hong filmt diese Gespräche in langen, genau kadrierten distanzierten Einstellungen, wobei sich die Kamera nur selten bewegt. Zweifellos ist das kunstvoll gemacht, doch dies kann so wenig wie der Umstand, dass hier der Regisseur auch seine eigene Affäre mit seiner Hauptdarstellerin Min-hee Kim verarbeitet, darüber hinwegtäuschen, dass die Gespräche im Grunde doch banal sind und kaum Interesse geweckt wird für Figuren und ihre Situation.


67. Berlinale Preisliste.pdf